Pronomen der zweiten Person

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Lothenon
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Pronomen der zweiten Person

Post by Lothenon »

Hallo ihr Lieben,

Hier geht es mir nicht um die hundertste Rekonstruktion von Sindarin-Pronomen (allein aus meiner Feder ;) ), sondern lediglich darum, wie ich einige Stellen aus VT49 (besonders S.51 und S.56) interpretieren darf.

Es wird dort zunächst wieder von den Stämmen (/dem Stamm) de, le gesprochen und wir können Tabellen entnehmen, dass dies im Quenya im Singular wie im Plural benutzt wurde, wobei aber nur im Singular auch der Stamm ki als familiäre Anrede auftritt.
Dann lesen wir (bezüglich Quenya, die Stämme aber sind in CE-Form):

[ki] was (or soon became) "imperious": i.e. addressed mainly to younger people or subordinates, [le, de] originally (as in modern English) probably did not differentiate sg. and pl. In CE l/d actually interchanged not infrequently especially as an initial consonant of stems. But agreement of Sindarin and Quenya in distinguishing l- sg. and d- pl. (Telerin has de for both). Only Quenya distinguished sg. as le and pl./dual as de [...] The use of le as 'polite/deferential' sg. was introduced by Noldor from Quenya and became general in the Sindarin of Beleriand apart from Doriath, where it was not used.

Was sagt dies nun aus?
Kannte Sindarin nur de und unterschied weder zwischen familiär/höflich noch Singular/Plural? Die Quenya-Beeinflussung hätte dann überhaupt zum ersten mal eine Singular-Form eingeführt. Denkbar, aber beim besten Willen, nicht die einzige Möglichkeit, fürchte ich.
Ebenso denkbar wäre es wohl, dass de und le beide existierten, aber nicht konkret eienr Funktion außer den Anrede zugewiesen waren, sodass die Quenya-Beeinflussung hieß, den beiden existenten Formen klare Funktionen zuzuordnen.
Wäre auch denkbar, aber es könnte wohl ebenso gut sein, dass auch das Sindarin ki kannte, also von Anfang an zwischen Singular und Plural unterschied. Das hieße dann vermutlich, dass wir im Singular ki hatten, im Plural de.

So oder so, das einzige was wir wohl mit Sicherheit sagen können, ist dass modernes Sindarin im Singular le hat (was ja gut belegt ist), im Plural de. Das ist ja zumindest mal etwas :)
Híronen
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Post by Híronen »

Wenn ich das richtig verstehe haben wir also du= le und ihr= de?
Waeren dann Personenendungen -l und -d?
Oder hab ich da wieder was falsch verstanden?
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Thorsten
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Post by Thorsten »

What a mess...
Waeren dann Personenendungen -l und -d?
Eher -dh wenn der Stamm d ist - muss ja leniert werden. Aber ob Tolkien an den Punkt gekommen ist das hinzuschreiben und zu nicken?
Híronen
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Post by Híronen »

Das mit der Lenition hab ich mal wieder total vergessen.
Koennte man also zum Beispiel minnal --> minnadh ueberhaupt durchgehen lassen oder waere das schon zu sehr Neo-Sindarin?
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Thorsten
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Post by Thorsten »

Naja, das waere genauso auf Tolkiens Texten basierend wie minnach (da gibt's Noldorin-Paradigmata dazu) oder minnal (da gibt's Tolkiens Statement dass Elbisch nicht zwischen 2sg. und 2pl. unterscheidet). Deshalb 'What a mess...'

Das 'Neo-' daran ist ja nur dass du jetzt eine Auswahl treffen musst welche von den Moeglichkeiten du nehmen willst. Sie schliessen sich teilweise gegenseitig aus, also musst du dich (konsistent) fuer irgendwas entscheiden wenn du einen Text schreibst.
Híronen
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Post by Híronen »

Dann bleibe ich bei -l fuer beide 2. Personen. Das unterstuetzt naemlich meine leise Vermutung, dass Tolkien die Grammatik teilweise ans Englische angelehnt hat. Im Englischen wird ebenfalls kein Unterschied zwischen 2.P.Sg. und 2.P.Pl. gemacht.
Und das kaeme meiner Vermutung ueber das Gerund und Infinitiv gelegen auch wenn's nicht bewiesen und attestiert ist.

VIelleicht kann es doch sein, dass die verschiedenen moeglicen Endungen Dialekte des Sindarin darstellen wie z.B. Falathren oder der Dialekt des Duesterwaldes. Im Duesterwald ist ja das Wort "gruen" nicht laeg, sondern leg wie in Legolas.
(Ich weiss leider wirklich nicht mehr, wo ich das gelesen habe, also bitte nicht koepfen.)
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Nunja, im Englischen wird keine Unterscheidung mehr gemacht. Früher hatte man Singular thou (Objekt thee) und Plural ye (Objekt you), bevor beides in you zusammengefallen ist (also unter Verlust der Singular-Formen und der Plural-Subjekt-Form).
Und eine Parallele dazu sehe ich durchaus in der Tatsache, dass ki ursprünglich wohl einfach nur "Singular-Anrede" bedeutete, es aber schnell als Anrede für Jüngere und Untergebene genutzt wurde, während die höfliche Singular-Anrede identisch mit der im Plural war.

Wir hatten also zunächst Sg. thou, ye, Pl. ye im Englischen, Sg. ki, le/de, Pl. le/de im Eldarin. Der einzige nennenswerte Unterschied zum Englisch von (sagen wir mal:) 1550 ist somit, dass der höfliche Singular im Englischen dem Plural entstammt, im Eldarin aber nicht.

Das sagt natürlich nicht viel aus, aber Tolkien scheint in den späten 60ern doch deutlich zu einer Vielzahl an Pronominal-Stämmen, auch für die zweite Person, tendiert zu haben (hat Hostetter nicht die Liste mit -g, -ch mitlerweile datiert, von der Salo behauptete, sie bei ihm gesehen zu haben?). Patrick Wynne führt außerdem einen Entwurf zu Tolkiens Statement bezüglich Anredegepflogenheiten der Hobbits im Appendix F des LotR an, in dem es da heißt die Unterscheidung zwischen familiär und höflich sei in den Elbensprachen stets aufrecht erhalten worden, wohingegen sie ursprünglich keine Unterscheidung von Singular und Plural kannten. Ursprünglich, das beißt sich keineswegs mit der Darstellung in diesem viel späteren Text (auch in VT48 finden wir die Angabe, dass DE/LE für die zweite Person stand, DE aber für den Plural. Hier scheint es aber eher so, als sei die Unterscheidung der ursprüngliche Zustand, die Gleichsetzung der spätere...).

Aber wie gesagt, wissen können wir es letztlich nicht, und irgendwie will mir eine Konjugation mit -dh nicht so richtig schmecken und wer weiß, ob Tolkien beim schlichten ausprobieren nicht vielleicht den selben Eindruck hatte und das ganze verwarf...

EDIT:
Bezüglich Dialekte:

Das Doriath-Sindarin (dass le nicht kannte, und somit vermutlich Sg. ki, Pl. de hatte, oder aber nur de, oder was auch immer) existiert ja im Dritten Zeitalter nicht mehr, oder das Mithrim-Sindarin wird auch nur am Rande angesprochen und die aufgezeigten Unterschiede machen auch klar, dass das Sindarin des dritten Zeitalters daher nicht rühren kann. Letzteres muss also einzig und allein vom Falathrim-Sindarin herrühren, von einem einzelnen Dialekt (oder vielleicht einer Dialektgruppe), und da würde es mich doch sehr wundern, wenn sich da später noch so unterschiedliche Formen der Anrede herausgebildet hätten.
Die Vereinfachung des Diphthongs ae zu e im Düsterwald-Dialekt (von der wir nichteinmal wissen, ob es sich dabei um eine generelle Veränderung handelt) ist kaum mit so einer doch sehr tiefgreifenden grammatikalischen Veränderung zu vergleichen. Zugegebenermaßen aber könnte durch das Nandorin natürlich eine gewisse Beeinflussung in insbesondere diesem Dialekt stattgefunden haben. Das ist aber alles reine Spekulation und hat eigentlich kaum etwas mit der Thematik zu tun.
Ailinel
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Post by Ailinel »

Und das kaeme meiner Vermutung ueber das Gerund und Infinitiv gelegen auch wenn's nicht bewiesen und attestiert ist.
Vermutlich hast du das schon früher erwähnt, aber leider kann ich mich nicht erinnern wo.
Könntest du bitte noch einmal kurz erklären, inwiefern deiner Vermutung nach Infinitiv / Gerund im Sindarin ans Englische angelehnt sind ?
Híronen
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Post by Híronen »

Das habe ich, glaub ich im Thread Infinitiv/ Gerund (oder wie ich den gennant hab) im Grammatik- Teil des Forums gefragt.
Ich glaube, dass es hier ausarten wuerde, wenn ich es im Pronomenthread nochmal aufgreife.
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Thorsten
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Post by Thorsten »

hat Hostetter nicht die Liste mit -g, -ch mitlerweile datiert, von der Salo behauptete, sie bei ihm gesehen zu haben?
In Antwort auf eine Frage von mir (ich weiss nicht mehr wo) hat Carl alle Texte die Salo bei ihm zu Hause gesehen hat als Noldorin bezeichnet - keine exakte Datierung, aber zumindest Etymologies oder frueher.
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Roman
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Post by Roman »

So oder so, das einzige was wir wohl mit Sicherheit sagen können, ist dass modernes Sindarin im Singular le hat (was ja gut belegt ist), im Plural de. Das ist ja zumindest mal etwas
Und da haben wir's auch schon:
le "(to) thee/you - polite 2nd person singular. This was a Quenya borrowing in the Sindarin used by Noldor or mixed peoples, replacing the pure Sindarin form de, ðe which remained in use in Doriath and the Havens. (PE17:26)
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Was haltet ihr von unten stehenden Tabellen-Entwürfen? Ergibt das ganze halbwegs Sinn?

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Roman
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Post by Roman »

Ich denke, es lässt sich so durchaus vertreten
Was ist mit Akk. "ihn, sie" - den, *(h)en? Dann bleibt noch die Frage nach KI- oder KE- in der zweiten Person. Schließlich findet man in Quenya bei den Pronomen gelängte Vokale: mé, vé, té usw. (VT49:51) In Sindarin hätten wir also unter Umständen í, i statt e, wie es wohl in sui mín i gohenam di auftritt.
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Mit der dritten Person bin ich mir ohnehin noch nicht ganz schlüssig.
Im King's Letter ist der Unterschied von dín und ín ja scheinbar eher der zwischen normalem und reflexivem Possessiv, ob es neben Nominativ e noch *de gibt und was es dann genau heißt, sei dahingestellt. Im Pater Noster widerum kann man di als geschlechtsübergreifendes "they" und den als neutralen Akkusativ "it"interpretieren, womit *de im Nominativ "it" heißen könnte. Ob jetzt e, "he/*she", in diesem Szenario vorkäme, oder vielleicht *da, bleibt eine weitere Frage.

Meine Interpretation war jetzt erstmal, dass prinzipiell *de etc. die Formen der dritten Person sind. Mit welchem etymologischen Hintergrund auch immer treten jedoch auch Formen ohne charakteristischen Konsonanten auf, wobei diese keine einheitliche Funktion haben und im Possessiv reflexive Funktion übernehmen, im Nominativ zur Geschlechtsunterscheidung dienen können. Im Akkusativ wüsste ich nicht, wie die Form aussehen sollte *en wäre ja mehr als misverständlich...

Dass wir auch KE- belegt haben ist mir jetzt garnicht präsent gewesen, habe jetzt nur an KI- gedacht...
Schließlich findet man in Quenya bei den Pronomen gelängte Vokale: mé, vé, té usw. (VT49:51) In Sindarin hätten wir also unter Umständen í, i statt e, wie es wohl in sui mín i gohenam di auftritt.
Sind die Quenyaformen Nominative? Ich kann mir irgendwie schlecht vorstellen, dass ursprüngliche Nominativ-Formen (also welche mit direktem Gegenstück im Quenya) den Suffix -n aufweisen würden, der ja ursprünglich eben ein Objekt zu bezeichnen scheint. Ich glaube nach wie vor, dass wir es bei mín eher mit einer Art amphatischen Nominativ zu tun haben, der aus irgendwelchen Gründen der Possessiv-Bildung ähnelt. Ich denke also das Quenyagegenstück ist weniger als emme.


Achja, die 1.Pl.incl. ergibt Sinn?
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Roman
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Post by Roman »

*en wäre ja mehr als misverständlich...
Warum?
Dass wir auch KE- belegt haben ist mir jetzt garnicht präsent gewesen, habe jetzt nur an KI- gedacht...
KE- ist aus VT48:25 und aus 'much later unpublished texts'.
Sind die Quenyaformen Nominative? Ich kann mir irgendwie schlecht vorstellen, dass ursprüngliche Nominativ-Formen (also welche mit direktem Gegenstück im Quenya) den Suffix -n aufweisen würden, der ja ursprünglich eben ein Objekt zu bezeichnen scheint. Ich glaube nach wie vor, dass wir es bei mín eher mit einer Art amphatischen Nominativ zu tun haben, der aus irgendwelchen Gründen der Possessiv-Bildung ähnelt. Ich denke also das Quenyagegenstück ist weniger mé als emme.
Der Bedeutung nach könnte es schon emphatisch sein - Quenya hat ja emme an genau dieser Stelle, aber etymologisch ist es wohl auf zurückzuführen.
Was den Konsonanten n angeht, so ist die vorhergehende Variante mí ni (VT43:22), die auch auf dem Faksimilie (VT43:23) gut zu sehen ist. Das sieht doch so aus, als ob das n vor Vokalen eingeschoben wird, bzw. zwischen zwei "i"s, was in Quenya gut bekannt ist (sí/sin, in-Eldaron, 'n aure).
Aber wenn man schon in Noldorin ho, hon, hono 'he', Pl. huin usw. mit n im Nominativ sieht, würde dasselbe in Sindarin auch nicht überraschend sein.
Achja, die 1.Pl.incl. ergibt Sinn?
Ja, wenn es eine Unterscheidung zwischen inklusiv und exklusiv in Sindarin gibt, dann würde das vermutlich so aussehen (we, gwe inklusiv).
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