Vergangenheit von "boe"

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Glanwen
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Vergangenheit von "boe"

Post by Glanwen »

Hallo,

ich hab mal wieder versucht was zu übersetzten und dabei festgestellt, dass ich keine Ahnung habe wie ich die Vergangeheit von boe bilden soll/kann/darf.

Ich habe boe aber immerhin schon mal in Thorstens Artikel Das Sindarin Verben-System, Punkt 13. Unregelmäßige Verben (Klasse I) gefunden. Aber:
....
Es gibt noch einige weitere unregelmäßige Verben, welche unten aufgeführt sind - eine detaillierte Diskussion dieser liegt etwas außerhalb des Rahmens dieses Artikels und wird ausgelagert werden.
.....
I: ava-, banga-, boe, dant- (?danna-), edledh-, elia-, gaw-, neledh-, *yr-
Thorsten, kannst du evtl mehr zu boe sagen, ohne dass es diesen Thread und meine bescheidenen Kenntnisse sprengt? :wink: :)
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Nun, über boe wissen wir genaugenommen kaum mehr als das Wort selbst; sogar die Übersetzung ist eher erschlossen, als sonst irgendetwas (wir kennen die Bedeutung des archaischen Wortstammes und einiger verwandter Formen, das Verb selbst ist nur gelistet und als "unpersönliches Verb" deklariert).
Entsprechend wissen wir über die Benutzung garnichts und können nur Spekulationen anstellen.

Ich glaube David Salo hat in den Dialogen etc. für die HdR-Filme vor allem Konstruktionen wie boe anim tired benutzt. Ich halte aber boe tirin für mindestens ebenso wahrscheinlich.
Letzteres hätte zudem den Vorteil, dass es eben nicht an eine Zeitform gebunden ist, sodass man auch ohne Probleme boe tiriannen oder boe tirithon sagen könnte.
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Glanwen
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Post by Glanwen »

Ok, eine andere Möglichkeit wäre also statt dem Gerund die benötigte Zeitform zu verwenden.
Irgendwie liegt mir das als Laie quer im Magen. Weiß aber auch nicht wie ich das ausdrücken soll. :(

Ich muß gehen
Es ist notwenig für mich zu gehen
I have to go
Boe baded enni / Boe bedin enni (?)

Ich musste gehen
Es war notwendig für mich zu gehen
I had to go
Boe bennin enni (?)

Es ändert sich "müssen" aber das "gehen" bleibt gleich.
Bei deinem Vorschlag wäre es im Sindarin ja dann genau umgekehrt.
Sieht aber wohl so aus als gäbe es zZ keine andere Möglickeit. :|
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Boe baded enni / Boe bedin enni (?)
Wenn man das Verb konjugiert, wüsste ich nicht, wofür man noch ein Reflexiv-Pronomen bräuchte. Meines Erachtens also boe baded enni oder boe bedin.
Es ändert sich "müssen" aber das "gehen" bleibt gleich.
Bei deinem Vorschlag wäre es im Sindarin ja dann genau umgekehrt.
In der Tat, aber in Deutsch und Englisch (wie von dir angeführt) haben wir einen ganz anderen Fall vorliegen:

Dort haben wir es mit einem herkömmlichen und voll durchkonjugierbaren Modalverb zu tun, das eigentlich Verb steht im Infinitiv.
Im Sindarin aber ist das Modalverb unpersönlich und somit nicht konjugierbar. Wir haben also wohl garkeine andere Wahl, als die Informationen, die in Englisch und Deutsch per Konjugation an das Modalverb angehängt werden, woanders zu verstauen.
Die Person kann möglicherweise per reflexivem Pronomen angehängt werden (oder mit Namen/Bezeichnung im Dativ, boe an edhel baded), aber die Zeit kann daran wohl nicht abgelesen werden.

Mglw. jedoch ist vielleicht auch das Gerundium in die verschiedenen Zeitformen zu setzen. Im King's Letter finden wir das Gerundium tírad, wo natürlich die Möglichkeit besteht, dass es von *tíra- kommt. Es könnte aber ebenso sein, dass *tíra nur die Verlaufsform von tir- ist, und somit tírad die Verlaufsform des Gerundiums. Das heißt im Klartext:

tirim - we see
tíram - we are seeing
aníram tired - we desire to see
aníram tírad - we desire to be seeing

(anir-/aníra- ist vielleicht der selbe Fall, aber das jetzt mal außenvor.)
Wenn wir also Gerundien sowohl vom Aorist als auch von der Verlaufsform finden (falls es diese Unterscheidung eben gibt), dann wüsste ich nicht, warum dies nicht auch in Präteritum und Futur möglich sein sollte (also *tirianned, *tirithad)


Das heißt aber letztlich nur, dass wir möglicherweise auch bei der Umschreibung mit Reflexivpronomen und Gerundium die Zeitform bestimmen können. Es wird aber in beiden Fällen das Modalverb boe nicht verändert. Das mutet uns zwar komisch an, ist aber wohl von Tolkien absichtlich genau so erdacht, denn das direkte Äquivalent im Quenya ist nicht unpersönlich, im Sindarin haben wir also sogar innerhalb der elbischen Sprachfamilie eine unregelmäßige und vielleicht ungewöhnliche Form vorliegen.

Zusammengefasst sehe ich folgende Möglichkeiten:

boe ammen tired - it is needed for us to see (> "we must see")
boe tirim - it is needed [that] we see (> "we must see")

boe ammen tirianned - it is needed for us to have seen (> "we had to see")
boe tiriannem - it is needed [that] we saw (> "we had to see")

boe ammen tirithed - it is needed for us to be seeing (> "we will have to see")
boe tiritham - it is needed [that] we will see (> "we will have to see")


Ist aber natürlich alles in höchstem Maße spekulativ.
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Glanwen
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Post by Glanwen »

Aha.... ok, wenn ich das so lese kann ich glaub ich folgen. Was meine allg. Grammatikkenntnisse angeht - die haben DAU-Level. :wink:

Danke für die "spekulative" Erklärung. :)
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Thorsten
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Post by Thorsten »

Ich halte aber boe tirin für mindestens ebenso wahrscheinlich.
Letzteres hätte zudem den Vorteil, dass es eben nicht an eine Zeitform gebunden ist, sodass man auch ohne Probleme boe tiriannen oder boe tirithon sagen könnte.
Das löst das Problem nicht, denn 'es ist nötig daß ich beobachten werde' ist nicht gleich 'es wird nötig werden daß ich beobachten werde' - in anderen Worten, boe tiriannen ist kein Ersatz für die Vergangenheit von boe.

Wenn es denn überhaupt geht. Während wir nicht viel zu unpersönlichen Verben im Sindarin haben sind andere Sprachen da mit mehr Beispielen versehen. Goldogrin hat z.B. a·laithra nin 'I forget it.', lit. '*It is lost for me.' (PE11:52) oder luista nin 'I am thirsty', Quenya hat orë nin caritas (VT41:13) übersetzt 'I would like to do so', 'I feel moved to do so'. Wörtlich also '[it] impels for me to do it'.

Alle Beispiele die ich aus Tolkiens Feder kenne sind nach dem Muster *boe enni cared aufgebaut, ich kenne keines das Flo's Theorie stützt.

Was die Vergangenheit betrifft, das Qenya-Äquivalent von N: bui ist mauya, das sieht nach einer Vergangenheit *mauyane aus. Ohne groß nachzuschauen würde ich jetzt mal *buin/boen als Kandidaten in den Raum stellen, auch wenn ich keinen wirklichen Anhaltspunkt habe daß die Form so regulär sein sollte.
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Das löst das Problem nicht, denn 'es ist nötig daß ich beobachten werde' ist nicht gleich 'es wird nötig werden daß ich beobachten werde' - in anderen Worten, boe tiriannen ist kein Ersatz für die Vergangenheit von boe.
Klingt logisch, ist genau genommen aber nicht minder spekulativ. Wer sagt uns denn, dass es im Sindarin nicht eben doch gleich ist? Wir finden ja beispielsweise auch keinen Unterschied zwischen Gegenwart und Perfekt, wenngleich unsereinem gleichlautende Formen für Perfekt und Präteritum vielleicht logischer erscheinen mögen.
Alle Beispiele die ich aus Tolkiens Feder kenne sind nach dem Muster *boe enni cared aufgebaut, ich kenne keines das Flo's Theorie stützt.
Die Q(u)enya-Beispiel waren mir nicht bekannt, danke. Unter diesen Umständen muss ich da natürlich gänzlich zustimmen. Bleibt nur die Frage ob cared oder ceri...
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