Das Präsens und Quenya im Lichte von PE 17

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Nimruzîr
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Das Präsens und Quenya im Lichte von PE 17

Post by Nimruzîr »

In PE 17 sind ja jetzt einige Beispiele bezüglich des Präsens aufgetaucht. Ich und Thorsten haben uns ja schon früher darum gestritten (hehe) aber jetzt wird das Bild ein wenig klarer.

Tolkien erwähnt die Form hentea *"lesen" (present continuative) (PE17:77), sowie einige gleichartige Formen istea, nahtea etc. Leider wird keine Plural-Form erwähnt. Gleichzeitig taucht auf Seite 186 unter Stamm TALAT- die wohl extensivste Beschreibung bezüglich des Präsens in Quenya auf (Quelle hier verkürzt wiedergegeben):
Strong intransitive
talta, present
talati-, talti-, Aorist
talante, past

Weak transitive
talta, taltane.
present taltea<taltayâ
With all causatives in -ta, continuative present talt ea ? ayâ.
Daraus lässt sich natürlich folgern, dass die Endung -ea nur an schwache transitive Verben angehängt wird. Ob die Beispiele auf Seite 77 dieser Konzeption folgen ist natürlich die Frage. Insbesonders ista "wissen" erscheint mir obskur, da es ganz offensichtlich stark ist, weil die Vergangenheitsform mit sinte angegeben ist. Leider erwähnt Tolkien wieder keine Pluralformen geschweige denn ob die Verben nun intransitiv/transitiv sind.
In VT49:48 taucht allerdings die Form tengwea auf, wobei explizit erwähnt wird, dass es eine schwache Form ist (Hurra, kein Widerspruch :biggrin:).

Ich habe mir auch noch ein paar Gedanken gemacht, wie sich die Endung -ea verhält, wenn ein Personlpronomen ins Spiel kommt. Beispiele wie *tengweanye wären durchaus möglich, jedoch bezweifle ich ihre Richtigkeit. Es wäre doch möglich, dass sich -ea ändert, sobald ein Personalpronomen angehängt wird. Vielleicht funktioniert dies ähnlich wie bei den Adjektiven (ea wird zu ie). Aber etwas sicherers weiß man leider nicht, da soweit ich das überblicke, noch kein Präsens-Verb in -(t)a mit Personalpronomen aufgetaucht ist.

Eure Gedanken/Thesen zu dem Thema?
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Roman
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Post by Roman »

Also die schwache/starke Vergangenheitsbildung scheint erst daraus zu resultieren, dass die Verben transitiv/intransitiv benutzt werden, so auch:
orta-, intr. oronte (stark), tr. ortane (schwach) (PE17:63-64)
orya, intr. oronye (stark)
Das geht mit ulya, intr. ulle, tr. ulyane in Etym überein, nur dass die starke Form anders ist (müsste in der späteren Phase dann *ulunye statt ulle werden).

Nun ist die Frage, ob auch im Präsens eine Unterscheidung transitiv/intransitiv gemacht wird. Hier finde ich das Beispiel tal(a)t- etwas problematisch, da es im Gegensatz zu den anderen ein Stammverb < TALAT- ist (deshalb Präsens -a, wie wir es kennen), welches - denke ich - in der transitiven Benutzung sich in Analogie zu den abgeleiteten Verben so verhält, als ob es einen Suffix -ta enthielte.

Aber ein besseres Beispiel ist caita 'lie (down), intransitive' (PE17:72), wobei caita 'lies' tatsächlich als 'present stem' bezeichnet wird, auch in Rgeo über Namárie: 'refers to the still enduring present results, described in the present tenses in lines 12-15'.
Die Vergangenheit ist damit auch nicht *caitane (das wäre transitiv *'laid'), sondern caine - ich vermute mal, *cainte ist wegen dem Diphthong etwas 'uncouth'. Scheint also tatsächlich zu passen.
Ich habe mir auch noch ein paar Gedanken gemacht, wie sich die Endung -ea verhält, wenn ein Personlpronomen ins Spiel kommt. Beispiele wie *tengweanye wären durchaus möglich, jedoch bezweifle ich ihre Richtigkeit. Es wäre doch möglich, dass sich -ea ändert, sobald ein Personalpronomen angehängt wird. Vielleicht funktioniert dies ähnlich wie bei den Adjektiven (ea wird zu ie).
Bei Adjektiven hat man doch aber -aya > -ea im Singular und vermutlich *-ayai > *-ee > -ie im Plural (früher > *-ayai > -ee (z.B. in Nieninqe). Bei Verben ist aber kein Pl. -i im Spiel.
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Nimruzîr
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Post by Nimruzîr »

Gebe dir soweit Recht, ich würde dich nur bitten folgende Sache zu präzisieren:
Bei Adjektiven hat man doch aber -aya > -ea im Singular und vermutlich *-ayai > *-ee > -ie im Plural (früher > *-ayai > -ee).
Hast du dazu Quellen im Kopf (würde das gerne nachlesen :D)?
Nun ist die Frage, ob auch im Präsens eine Unterscheidung transitiv/intransitiv gemacht wird.
Meine Antwort wäre: Ja! Lass mich das mit Beispielen nachvollziehen, mir ist das jetzt alles eh schon zu theoretisch ;).

Stammverb talta-:

Intransitiv im Präsens (stark): talta (Verg. talante)
Transitiv im Präsens (schwach): taltea (Verg. taltane)

Abgeleitetes Verb caita-:

Intransitiv im Präsens (stark): caita (Verg. caine)
Transitiv im Präsens (schwach): *caitea(Verg. *caitane)

Ich denke, dass ist es auch was Tolkien uns auf S. 186 sagen will (?).
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Roman
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Post by Roman »

Hast du dazu Quellen im Kopf (würde das gerne nachlesen Very Happy)?
Uff, also so direkt auf einmal steht das, glaube ich, nirgendwo. Man kann es sich aber zusammenreimen, wenn man sieht, dass in Narqelion (VT40) die Plural-Formen úmeai, karneambarai, culuvai vorkommen, später in Nieninqe aber wilwarindeën oder wilwarindear (anderer Pl.-Suffix) und schließlich wilwarindie. Eine direkte Bestätigung von -ai > -e findet sich in WJ:407 (Poss. -vai > -ve) und aya > ea ist gut bekannt etwa aus (G)AYAR > Q. ear. Siehe auch die Diskussion in PE17:93 und 80 (laikven < *laikvain, unbetont).
Schließlich zeigt VT49:48 sehr schön die Substantiv-Endung -ie, die daraus entsteht, dass in unbetonter Stelltung (bzw. nach der Betonung) folgendes passiert: waye > weye > wie. Damit wäre *-eë > -ie ziemlich analog zum letzten Schritt.
Stammverb talta-:

Intransitiv im Präsens (stark): talta (Verg. talante)
Transitiv im Präsens (schwach): taltea (Verg. taltane)
Ja, aber wie gesagt - zweiteres scheint ein Sonderfall zu sein - vgl. trans. untúpa in Namárie und nicht etwa **untupea. Stammverben scheinen gewöhnlicherweise von der Unterscheidung transitiv/intransitiv in der Konjugation unbetroffen zu sein.
Intransitiv im Präsens (stark): caita (Verg. caine)
Da habe ich ja ganz übersehen, dass es noch keante gibt (VT48:12). Klar, das ist dann genau dasselbe Muster wie oro-n-te, oro-n-ye, nämlich von *kaya-n-te. Und was erzähl' ich überhaupt, Thorsten hat ja alles schon hier zusammengestellt.
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Nimruzîr
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Post by Nimruzîr »

Ah, ok danke für die Hinweise. Werd ich dann mal ein bisserl nachlesen.
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Thorsten
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Post by Thorsten »

Also, einfach mal zum Praesens eine Sammlung, inzwischen haben wir tatsaechlich einiges:

Fuer die basic verbs tut sich nicht viel neues - der Stammvokal wird gelaengt wenn moeglich (wenn zwei Konsonanten folgen geht's halt nicht), und die Endung -a kommt hinten dran, das wussten wir schon laenger:


quet- 'to say' pr.t. quēta (VT41:11,13)
talt- 'to slip (intr.)' pr.t. talta (PE17:186)
ten- 'to arrive' pr.t. tēna (VT49:23)
car- 'to make' pr.t. cára (PE17:144)
untup- 'to cover' pr.t. untúpa (PE17:73)

Fuer derived verbs scheint -ea Endung der Wahl zu sein, wenn geht (selten) ebenfalls mit Laengung des Stammvokals:

henta- 'to examine' pr.t. hentea (PE17:77)
ista- 'to know' pr.t. istea (PE17:77)
nahta- '*to slay' pr.t. nahtea (PE17:77)
orta- '*to raise' pr.t. ortea (PE17:77)
melya- '*to love' pr.t. melyea (PE17:77)
ora- 'to urge' pr.t. ōrea (VT41:13,18)
talta- 'to slip (tr.)' pr.t. taltea (< taltayâ) (PE17:186)

Ein Fall ist klar Analogiebildung hierzu (das Verb ist nicht wirklich von der Wurzel gebildet):

tengwa- 'to read' pr.t. tengwea (VT49:48)

In einem Fall gibt es eine Kuerzung, die vermutlich phonetisch gewuenscht ist:

orya- '*to rise' pr.t. orea (statt **oryea) (PE17:77)

Ein Fall zeigt ein ganz anderes Schema, naemlich Laengung und Wiederholung des Stammvokals:

*manta- 'to bless' pr.t. mānata (VT49:52)

Und dann gibt's noch ein paar Verben die wie derived verbs aussehen, wo das -a aber Teil der Wurzel ist. Die werden von Tolkien ein bisschen gemischt behandelt:

la- 'to be not' pr.t. laia (< lâjâ) (VT49:13)

wird als derived verb behandelt und bekommt die Endung -ayâ.

na- 'to be' pr.t. (VT49:27 as nain, nánye)

wird hingegen als basic verb behandelt, im Aorist werden die Formen ueber -i- angehaengt, und im Praesens wird gelaengt und/oder die Endung -a angehaengt.

ava- 'to refuse' pr.t. āva, āvea (VT49:13)

zeigt beides - Laengung des Stammvokals, und Laengung des Stammvokals mit Endung -ayâ.

Also - ausser dass es eine Klasse von Verben gibt die mit -a enden aber keine derived Verbs sind (was ich schon laenger immer wieder schreibe) ist das ganze recht konsistent. Eigentlich zu sehr - habe ich Formen ausgelassen?
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Roman
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Post by Roman »

Also - ausser dass es eine Klasse von Verben gibt die mit -a enden aber keine derived Verbs sind (was ich schon laenger immer wieder schreibe) ist das ganze recht konsistent. Eigentlich zu sehr - habe ich Formen ausgelassen?
Was ist mit der diskutierten Unterscheidung transitiv/itnransitiv auch im Präsens?
Das intransitive caita (PE17:72) wird als 'present stem' bezeichnet, dazu passt die starke Vergangenheit caine. Immerhin wird auch in Namárie direkt im Anschluss an caita das Präsens untúpa verwendet. Dagegen 'transitive' & 'present' taltea (PE17:186), was durch Analogie zu den abgeleiteten Verben erklärt werden muss.
Anbei gibt es wieder die Notiz, dass -ea ursprünglich der Präsens kausativer Verben war, genauso wie die Vergangheit -ne laut PE17:180 von diesen abgelietet ist. Orta- wird auf S. 63 als kausaitv bezeichnet, auf S. 77 findet man ortea. Zudem kann bei den Verben auf S. 77 sirya *'flow' garantiert nicht transitiv verwendet werden und hat auch keinen ea-Präsens angegeben.
Das kausative *manta- hat natürlich eine ganz andere Präsens-Bildungsform, zu der es anscheinend mehr Informationen gibt, die noch nicht veröffentlicht wurden.

EDIT: Evntl. auch noch intr. Präs. úva in hríve úva véna 'winter is drawing near (to us)' statt *úvea
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Thorsten
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Post by Thorsten »

Was ist mit der diskutierten Unterscheidung transitiv/intransitiv auch im Präsens?
Sehe ich eher nicht.

Wenn ich mir das richtig zusammenreime ist das Praesens in -ea fuer derived verbs erst beim Aufschreiben von 'Words, Phrases and Passages' entstanden, als Namárie geschrieben wurde gab es die Idee noch gar nicht, was caita neben untúpa erklaert.

Tolkien experimentiert dann mit Ideen, daher seine Notiz in PE17:186.

Aber die Beispiele auf PE17:77 sprechen eigentlich eine andere Sprache:

orya hat ganz zweifellos eine starke Vergangenheit oronye aber ein Praesens orea.

melya hat auch eine starke Vergangenheit melenye aner ein Praesens melyea und ist vermutlich intransitiv.

sirya hat kein Praesens angegeben, aber nach der gleichen Logik koennten wir aus der Tatsache dass nur henta, ista, nahta und melya ein Futur angegeben haben schliessen dass sirya, orta und orya kein Futur bilden - erscheint mir gewagt.

Also, alles in allem erscheint mir eines nicht sicherer als das andere, insofern ist die sicherste Praesentation vermutlich -ea fuer alle mit dem Hinweis dass bei derived verbs der Aorist haeufig auch anstelle des Praesens stehen kann.
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