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Atlas der deutschen Alltagssprache

Posted: Mon Aug 18 2008 13:40
by mach
Ein interessantes Projekt der Atlas zur deutschen Alltagssprache von Stephan Elspaß an der Universität Augsburg. Ich bin nur ein wenig in Verlegenheit gekommen, wie ich nun die Dialektformen angeben sollte, die hier die Alltagssprache bilden: Sollte ich jeweilen die entsprechende hochdeutsche Form auswählen oder die Dialektform unter "anders" angeben? Naja, Kompromisse halt.

Posted: Mon Aug 18 2008 18:56
by Celefindel
Ich denke, die Dialektform ist nur dann anzugeben, wenn es von den angegebenen stark abweicht, zB. bei mir "Kriskindl" statt Christkindl ist nicht grad groß verschieden...

Posted: Tue Aug 19 2008 11:51
by Eirien
Interessanter Link, mach! :pro:
die Dialektform ist nur dann anzugeben, wenn es von den angegebenen stark abweicht
Naja, was heißt "stark abweicht", wenn es bei uns 'nen großen Hund und 'nen ganz lieben Menschen heißt statt ein großer Hund und ein ganz lieber Mensch (wie vorgegeben), dann ist das formal auch erstmal nur eine Abweichung von 1-2 Buchstaben, reflektiert aber tatsächlich, dass unsere stark deklinierten maskulinen Substantive keinen Nominativ (mehr) haben, das finde ich schon nicht unwichtig festzuhalten. Ich habe also alles so angegeben, wie's in Wirklichkeit ist und hauptsächlich gesprochen wird - sollen sich doch die Experten überlegen, wie sie das jetzt einordnen.

Posted: Tue Aug 19 2008 13:38
by mach
Eirien wrote:dass unsere stark deklinierten maskulinen Substantive keinen Nominativ (mehr) haben
Tja und hier heisst es eben nicht ein ganz ein lieber Mensch, sondern e ganz e liebe Mönsch. Interessant, dass auch du im Nominativ maskulin singular der starken Adjektivdeklination kein -r hast – wo kommst du her? Ich glaube, im DTV-Atlas der deutschen Sprache bin ich mal darauf gestossen, dass die Form ohne -r auf ein anderes historisches Paradigma zurückgehe. Sie sei besonders im Südwesten gebräuchlich, wenn ich mich nicht täusche. Hier unterscheiden wir sie jedoch von der schwachen Deklination: e liebe Mönschder lieb Mönsch.

Posted: Tue Aug 19 2008 17:28
by Eirien
In der schwachen Deklination heißt es hier auch ganz "normal": der große, der liebe usw.
mach wrote:im Nominativ maskulin singular der starken Adjektivdeklination kein -r
Tja, kein -r, dafür ein -n. Könnte das denn noch irgendwas anderes als ein Akkusativ sein?
mach wrote:wo kommst du her?

Nicht aus dem Südwesten des deutschen Sprachraums, nur aus dem Südwestfälischen, das passt wohl nicht ins Bild?

Wenn wir "richtig" hochdeutsch sprechen (würden, können wir aber gar nicht!), ist uns schon auch klar, dass es ein lieber usw. heißen muss, aber der umgangssprachliche Ausdruck ist eben mitsamt Grammatik 1:1 aus dem Plattdeutschen übernommen, und da heißt es nun mal 'nen gräoten Ruien[/b], 'nen uornlecken Käel usw. Und dieses -en hängt sich zu allem Überfluss auch noch an etwa vorhandene adverbiale Adjektive: Dat es en ganzen gurren Hahnen. Was mag das aber sein, wenn kein Akkusativ?

Posted: Tue Aug 19 2008 21:33
by mach
Eirien wrote:Und dieses -en hängt sich zu allem Überfluss auch noch an etwa vorhandene adverbiale Adjektive: Dat es en ganzen gurren Hahnen.
Ah, interessant. Dasselbe beim Wort sehr? Dort sagen wir hier: Das isch e sehr e guete Hane – wobei phonologisch gesehen das zweite e ans sehr angehängt ist (dass es jedoch nicht eine Endung ist, lässt sich erkennen in der Gegenüberstellung des Artikels zur tatsächlichen Endungen, beispielsweise in es sehr es schwär-s Desser, e sehr e schwär-i Entscheidig – also nehme ich an, im Südwestfälischen verhält sich das wohl analog). Was es auch immer ist, ein Akkusativ ist es ganz bestimmt nicht, sondern ein prädikativer Nominativ (bzw. Gleichsetzungsnominativ). Dabei hatte ich immer gedacht, der Zusammenfall von Akkusativ und Nominativ sei ein südwestliches Phänomen (der Akkusativ isch e Kasus – i kenne der Akkusativ). Im Zusammenhang mit nördlichen Varietäten war mir nur der Zusammenfall von Akkusativ und Dativ bekannt (ick liebe dir).

Posted: Wed Aug 20 2008 7:36
by Eirien
mach wrote: Dasselbe beim Wort sehr?
Theoretisch schon, nur heißt es nicht "sehr", sondern "wahne", aber wie verhält sich das?
Mal sehen.... Ja, doch, in zB: dat is nen wahnen gräoten Bolzen¹, en wahnet gräotet Dingens² - ja, das ist wohl vergleichbar.


¹Kater
²Ortschaft

ein prädikativer Nominativ (bzw. Gleichsetzungsnominativ)
Ja, in diesen Beispielen wohl schon, aber was ist mit zB Im Biärge stäiht en wahnen gräoten Boum? Das sollte ja eindeutig Nominativ sein, aber da wird die Endung womöglich in Analogie angehängt?


Edit:
im Südwestfälischen verhält sich das wohl analog
Ja, da war ich mir jetzt nicht sicher, ob das für den gesamten niederdeutschen Sprachraum gilt, das kann aber durchaus sein: hier bei Radio Bremen habe ich ganz ähnliche Beispiele gefunden.

Posted: Wed Aug 20 2008 13:44
by mach
Eirien wrote:en wahnet gräotet Dingens
Interessant – also lässt sich beim Südwestfälischen im Unterschied zum Alemannischen nicht von einer Wiederholung des Artikels sprechen. Allenfalls liesse sich noch eine historische Analogie zwischen den Konstruktionen annehmen, wenn Endung und Artikel denselben Ursprung hätten.