Zugaenge zu Tolkien

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Thorsten
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Wenn ich mich etwa für gondorianische Schreibgewohnheiten interessiere – und diese Frage ist so linguistisch wie irgendeine, denn Linguistik ist nicht nur Systemlinguistik –, dann kann ich sehr wohl in einer Textinterpretation des Herrn der Ringe eine ausführliche Antwort finden, indem ich vom Herrn der Ringe als einem Text mit starker Konsistenzbedingung ausgehe.
Als eine moegliche Betrachtungsweise koennte ich mich damit anfreunden, ja.

Dein urspruengliches Argument ist dann allerdings ein wenig anders. Das hatte ein gutes Stueck seiner Ueberzeugungskraft aus DTS38 und DTS49 die beide die tehtar-Schreibung mit Gondor assoziiert zeigen.

Wenn wir das aus dem Argument entfernen weil es aus Entwuerfen stammt die nicht der gleichen starken Konsistenz unterliegen muessen (und im Fall des Koenigsbriefs das auch sicher nicht tun) bleibt ist im Wesentlichen die Titelinschrift 'what a man of Gondor might have produced' und, dem widersprechend, Isildur's Zeugnis.

Selbst wenn ich jetzt starke Konsistenz verlange ist mir nicht klar warum Isildur der sein muss der sich geirrt hat und Gandalf der mit 'mode' etwas anderes meint. Es koennte ja auch sein dass 'what a man of Gondor might have produced' nicht die Bedeutung hat die du darin siehst - weder ich noch Pengolodh haben diese Bedeutung darin gesehen, der Satz ist also zumindest wohl nicht eindeutig.

Warum ziehst du dann also diese Variante der anderen vor?

Meine eigene Lesart von Mittelerde ist uebrigens mehr widerspruechlich - vielleicht eher die von einem Forscher der verschiedene Berichte vorliegen hat - manche widersprechen sich im Detail, aber vieles geht doch zusammen. Keine der Quellen zeigt Mittelerde 100% akkurat, aber wenn ich sie alle zusammen lese dann kann ich ein Bild sehen wie es wahrscheinlich ausgesehen hat - und in manchen Faellen ist (wie in der wirklichen Geschichtsforschung) eben das eine UND das andere ueberliefert - und was Wahrheit ist ist schwer unterscheidbar.

Ueberhaupt denke ich viel mehr in Begriffen von Plausibilitaet, Wahrscheinlichkeit und Konsistenz als in 'wahr' und 'falsch' - ich kenne recht wenige Fragen die wirklich unterscheidbar sind, selbst wenn die Antwort einen ueberwaeltigenden Grad an Plausibilitaet hat. Aber auch ein Ergebnis das zwei plausible Alternativen zeigt ist fuer mich akzeptabel.
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mach
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Thorsten wrote:Dein urspruengliches Argument ist dann allerdings ein wenig anders. Das hatte ein gutes Stueck seiner Ueberzeugungskraft aus DTS38 und DTS49 die beide die tehtar-Schreibung mit Gondor assoziiert zeigen.
Es ging ja auch um DTS 49. Ich sehe, wie gesagt, kein Problem darin, Quervergleiche zwischen verschiedenen Quellen anzustellen, nur darf ich dann selbstverständlich nicht mit der starken Konsistenzbedingung argumentieren. Ich habe willkürlich entschieden, der Kontext des Herrn der Ringe sei wichtiger als der Kontext von DTS 38 oder 49, also habe ich ausgehend vom Herrn der Ringe argumentiert. Das kommt letztlich auf etwas Ähnliches heraus wie auf die verschiedenen Grade von Relevanz, die den Quellen Tolkiens beizumessen sei, nur dass ich halt in diesem Fall die Relevanz des Herrn der Ringe noch höher angesetzt habe, indem ich im Herrn der Ringe die starke Konsistenzbedingung annehme.
Thorsten wrote:Selbst wenn ich jetzt starke Konsistenz verlange ist mir nicht klar warum Isildur der sein muss der sich geirrt hat und Gandalf der mit 'mode' etwas anderes meint. Es koennte ja auch sein dass 'what a man of Gondor might have produced' nicht die Bedeutung hat die du darin siehst - weder ich noch Pengolodh haben diese Bedeutung darin gesehen, der Satz ist also zumindest wohl nicht eindeutig.
Mir erscheint die Aussage in Anhang E über DTS 4/5 sehr eindeutig: "It is [...] an example of what a man of Gondor might have produced, hesitating between the values of the letters familiar in his ‘mode’ and the traditional spelling of English." Das verstehe ich so, dass dem Gondorianer seine vertraute Schreibweise einerseits ein VC-Ómatehtar-Modus ist und andererseits die Calmatéma als tsch-Reihe verwendet. Diese Merkmale können, meine ich, ganz offensichtlich nicht auf der herkömmlichen englischen Rechtschreibung beruhen, also beruhen sie wohl gemäss dieser Passage auf dem Gondorianer seiner vertrauten Schreibweise. Ich sehe nicht, was da für andere Schlüsse möglich wären. Also glaube ich, dass eine Schreibweise mit diesen Merkmalen (die wir gemäss Anhang E vielleicht Westron-Tehtarmodus nennen könnten) mit Gondor zu assoziieren ist.

Die Annahme, die Pengolodh vertreten hat, der Mann aus Gondor sei bloss ein Beispiel, überzeugt mich gar nicht, denn dann wäre ja der Hinweis auf den Mann aus Gondor ziemlich überflüssig. Diesen Hinweis halte ich aber nicht zuletzt deshalb für äusserst relevant, weil Tolkien ja sonst üblicherweise die Perpsektive der Hobbits eingenommen hat. Wenn also plötzlich eine andere Perspektive eingenommen wird, dann sollte das, meine ich, nicht als irrelevanter Zufall abgetan werden. Aber vielleicht gibt es ja für diese Stelle andere überzeugendere Lesarten, die ich einfach nicht gefunden habe. Ich bitte sehr darum, dass ihr mich darauf hinweist.

Gandalfs Aussage über die Ringinschrift, welche dieselben Merkmale aufweist, widerspricht dieser Assoziation nicht ("[t]he letters are Elvish, of an ancient mode"): Die Buchstaben sind ja tatsächlich elbisch, und die Verwendung ist von hohem Alter, wobei es bei der Unterredung im Auenland keine grosse Rolle spielt, dass ebendiese Verwendung in Gondor trotz ihres hohen Alters noch immer üblich ist.

Auch in Isildurs Aussage über die Ringinschrift kann ich keinen Widerspruch zur Assoziation der genannten Merkmale mit Gondor erkennen: "It is fashioned in an elven-script of Eregion, for they have no letters in Mordor for such subtle work". Isildur bezieht sich nicht auf die Merkmale der Rechtschreibung, sondern auf Form der Buchstaben, denn er spricht nicht von "mode", sondern von "script" (und "letters"). Dass Tolkien aber das Wort "script" stets als eine allgemeine Bezeichnung für 'Schrift' oder 'Handschrift' verwendet hat, das Wort "mode" hingegen stets für mehr oder minder bestimmte Schreibweisen, das wird aus einer sorgfältigen Lektüre ersichtlich ("script" habe ich gefunden auf pp. 49, 166, 246, 313, 314 und 1003 sowie acht Mal in App. E, "mode" auf pp. 49 und 189 – wo es sich aber nicht auf Versmasse bezieht – sowie vierzehn Mal in App. E in der einbändigen Taschenbuchausgabe von HarperCollins von 1995, ISBN 0 261 10325 3). Im Kontext der Aussage aus Anhang E ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass Isildur bloss eine Bemerkung zur Form der Buchstaben macht und nicht zu den Merkmalen der Rechtschreibung, denn gemäss Anhang E wäre es ja die ihm vertraute Schreibweise. Gewiss ist es eigentlich unerhört, dass Sauron eine Schreibweise verwendet hat, die Isildur vertraut ist, aber dass dies Isildur entgangen ist, scheint mir nicht unwahrscheinlich, denn allzu schnell erscheint einem das Vertraute als selbstverständlich. Überdies ist es bekannt, dass Isildurs sicherlich scharfer Verstand vor dem Ring sozusagen gewisse Aussetzer hat.
Thorsten wrote:Warum ziehst du dann also diese Variante der anderen vor?
Du meinst die andere Lesart, dass hier ein eindeutiger Widerspruch vorliege wie beim Mond auf dem Westtor von Moria? Auf diese andere Lesart will ich nur im alleräussersten Notfall zurückgreifen, wenn es anders nicht mehr geht. Hier aber sehe ich eine mir einleuchtende Lesart, die ohne die Annahme eines Fehlers auskommt (und überdies auch noch im Einklang steht mit weiteren Quellen).
Thorsten wrote:Meine eigene Lesart von Mittelerde ist uebrigens mehr widerspruechlich - vielleicht eher die von einem Forscher der verschiedene Berichte vorliegen hat - manche widersprechen sich im Detail, aber vieles geht doch zusammen. Keine der Quellen zeigt Mittelerde 100% akkurat, aber wenn ich sie alle zusammen lese dann kann ich ein Bild sehen wie es wahrscheinlich ausgesehen hat - und in manchen Faellen ist (wie in der wirklichen Geschichtsforschung) eben das eine UND das andere ueberliefert - und was Wahrheit ist ist schwer unterscheidbar.
Das ist auch eine interessante Perspektive. Du nimmst dann aber auch eine Art gemeinsame Realität hinter den verschiedenen Quellen an? Wäre das dann vielleicht die Existenz der Ideen Tolkiens?
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Thorsten
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Erst mal voraus: Sorry, es geht (mir) in diesem Thread um die Methodik, nicht darum die Diskussion um die Tengwar *inhaltlich* nochmal aufzuwaermen. Die Bezuege zu der Diskussion, so weit sie mich betreffen, dienen dazu *exemplarisch* am Beispiel der Diskussion die Methodik zu verstehen. Insofern werde ich nicht alle Punkte inhaltlich angehen. Fuer's Protokoll, das impliziert lediglich dass ich diese inhaltliche Diskussion nicht hier fuehren moechte, sonst nichts.
Es ging ja auch um DTS 49. Ich sehe, wie gesagt, kein Problem darin, Quervergleiche zwischen verschiedenen Quellen anzustellen, nur darf ich dann selbstverständlich nicht mit der starken Konsistenzbedingung argumentieren.
Halt, halt, halt - den ganzen Thread *hier* ging es darum dass du die starke Konsistenzbedingung als Weg zu bestimmten linguistischen Erkenntnissen propagierst - am Beispiel der Tengwarschreibung von Gondor:

Wenn ich mich etwa für gondorianische Schreibgewohnheiten interessiere – und diese Frage ist so linguistisch wie irgendeine, denn Linguistik ist nicht nur Systemlinguistik –, dann kann ich sehr wohl in einer Textinterpretation des Herrn der Ringe eine ausführliche Antwort finden, indem ich vom Herrn der Ringe als einem Text mit starker Konsistenzbedingung ausgehe.

Soll ich das jetzt so interpretieren dass die Diskussion im Tengwar-Bereich *nicht* die Methodik zugrundelegt die du hier vorgestellt hast?

Wenn ich deinem Vorschlag folge gondorianische Schreibgewohnheiten dadurch zu erforschen wenn ich LOTR mit starker Konsistenzbedingung lese, dann finde ich weiter vorne bei dir dass du explizit einen Text als eine Einheit sehen willst, nicht zwei oder mehrere Texte. Also sind dann weder DTS38 noch DTS49 irgendwie relevant, weil sie irgendwelche Texte von irgendwelchen anderen Gondorianern beschreiben koennten.

Falls ich deiner Beschreibung dieser Art der Textinterpretation grob Unrecht getan habe bitte ich um Korrektur, ansonsten in jedem Fall darum dass diese Situation dass nur LOTR als Quelle relevant ist fuer das folgende als Arbeitshypothese akzeptiert wird.

Die allgemeine Frage ist dann - ich habe einen Text in dem ich Aussagen A,B und C zu einem Thema finde die in der naiven Lesart (beim ersten Eindruck) nicht miteinander im Einklang sind. Konsistenz sagt mir nur dass ich eine (mehrere) der Aussagen anders als auf die naive Art interpretieren muss (ein Protagonist hat sich geirrt, hat unvollstaendiges Wissen, die Ueberlieferung ist verfaelscht...), aber nicht welche. Das heisst, entweder die Antwort ist einfach subjektiv oder es muss ein Auswahlkriterium geben - welches ist das?

Mehrheit draengt sich auf - wenn 100 Aussagen X behaupten und eine im Widerspruch dazu Y dann scheint es i.A. plausibler Y zu reinterpretieren (Gegenbeispiele sind schnell konstruiert). Was sonst?

Im konkreten Fall gibst du eine implizite Antwort aus Mir erscheint die Aussage in Anhang E über DTS 4/5 sehr eindeutig (...) Ich sehe nicht, was da für andere Schlüsse möglich wären. - d.h. du scheinst eine Aussage fuer eindeutiger als die anderen zu halten.

In diesem Kontext bitte ich dich das Faktum anzuerkennen dass bisher niemand anders deine Lesart so nachvollzogen hat (was ein Indiz dafuer ist dass die Aussage objektiv eben doch nicht eindeutig ist) und als Arbeitshypothese zu akzeptieren dass Leute die eine andere Meinung haben als du eine plausible Begruendung dafuer geben koennen (*).

Gegeben diese Hypothese - waere deine Antwort immer noch die gleiche?
Isildur bezieht sich nicht auf die Merkmale der Rechtschreibung, sondern auf Form der Buchstaben, denn er spricht nicht von "mode", sondern von "script" (und "letters").
Also, bei der Unterscheidung zwischen 'script' und 'mode' gehe ich ja so weit mit. Aber bei Isildur ist dein Argument dass er *nicht* 'mode' verwendet hat - waehrend es bei Gandalf anders sein muss, denn der tut es ja.

Also - die Ringinschrift ist 'ancient mode'. Warum sollte Gandalf (der nun schon recht alt ist) einen Modus der in Gondor erfunden wurde als 'ancient' bezeichnen? Da geht es bei mir mit der Plausibilitaet nicht so weit.

Aber vielleicht gibt es ja für diese Stelle andere überzeugendere Lesarten, die ich einfach nicht gefunden habe. Ich bitte sehr darum, dass ihr mich darauf hinweist.
(*) Der Abschnitt im Kontext lautet:

There was of course no ‘mode’ for the representation of English. One adequate phonetically could be devised from the Fëanorian system. The brief example on the title-page does not attempt to exhibit this. It is rather an example of what a man of Gondor might have produced, hesitating between the values of the letters familiar in his ‘mode’ and the traditional spelling of English.

Der Abschnitt auf der Titelseite wird wegen einer bestimmten Eigenschaft erwaehnt - er ist nicht in einem Modus der 'phonetically adequate devised' ist geschrieben. Statt dessen zeigt er Schwanken zwischen 'traditioneller' und 'phonetischer' Schreibung. Was im Kontext nicht erwaehnt wird ist die Frage nach Tehtar-oder Vollmodus (das ist recht relevant fuer die Interpretation denke ich).

Da kann man jetzt fragen - wen sollte Tolkien denn sonst als fiktiven Urheber zitieren? Einen Elben wohl eher nicht, denn Tolkiens Elben wuerden wohl einen adaequaten Modus entwerfen. Einen Hobbit aber wohl auch nicht - Tolkiens Hobbits (die gleichen Leute die aus Baranduin Brandywine machten) wuerden naemlich einfach 'the familiar values of the letters' verwenden und sich nicht gross um Tradition scheren. Da bleibt schnell nur der 'man of Gondor' uebrig, denn der 'man of Rohan' wuerde im Allgemeinen vermutlich gar nicht viel schreiben.
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mach
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Thorsten wrote:Wenn ich deinem Vorschlag folge gondorianische Schreibgewohnheiten dadurch zu erforschen wenn ich LOTR mit starker Konsistenzbedingung lese, dann finde ich weiter vorne bei dir dass du explizit einen Text als eine Einheit sehen willst, nicht zwei oder mehrere Texte. Also sind dann weder DTS38 noch DTS49 irgendwie relevant, weil sie irgendwelche Texte von irgendwelchen anderen Gondorianern beschreiben koennten.
Ganz genau, solche zusätzlichen Texte sind grundsätzlich nicht relevant und spielen keine Rolle. Nun halte ich es aber nicht für unmöglich, eine These, die ich über die verstehende Deutung eines Textes erarbeitet habe, nachträglich noch mit anderen Texten zu vergleichen, in vollem Bewusstsein, dass dies nur ein Zusatzcheck sein darf, der die These nicht ändern, sondern ihr vielleicht höchstens noch zusätzliche Glaubwürdigkeit geben oder nehmen kann in einem weiteren Zusammenhang. Daher hatte ich auch darauf hingewiesen, dass eine gewisse Ähnlichkeit besteht zu der von dir genannten absteigenden Reihenfolge der Verlässlichkeit.
Thorsten wrote:Die allgemeine Frage ist dann - ich habe einen Text in dem ich Aussagen A,B und C zu einem Thema finde die in der naiven Lesart (beim ersten Eindruck) nicht miteinander im Einklang sind. Konsistenz sagt mir nur dass ich eine (mehrere) der Aussagen anders als auf die naive Art interpretieren muss (ein Protagonist hat sich geirrt, hat unvollstaendiges Wissen, die Ueberlieferung ist verfaelscht...), aber nicht welche. Das heisst, entweder die Antwort ist einfach subjektiv oder es muss ein Auswahlkriterium geben - welches ist das?
Plausibilität, Wahrscheinlichkeit. Ein einziges immer anwendbares Kriterium gibt es nicht, denn es ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Wenn mehrere Stellen zwar andeuten, aber offen bleiben, eine einzige Stelle jedoch eindeutiger wird, dann würde letztere Stelle wohl den Ausschlag geben.
Thorsten wrote:In diesem Kontext bitte ich dich das Faktum anzuerkennen dass bisher niemand anders deine Lesart so nachvollzogen hat (was ein Indiz dafuer ist dass die Aussage objektiv eben doch nicht eindeutig ist)
Die Meinung anderer, denke ich, kann ganz wie das Heranziehen weiterer Texte höchstens ein Zusatzcheck sein nach erfolgter Deutung. Übrigens sehe ich mich nicht so alleine dastehend, denn ich hatte ja nicht einen neuen, obskuren Standpunkt erfunden, sondern Lothenons Standpunkt übernommen.
Thorsten wrote:In diesem Kontext bitte ich dich [...] als Arbeitshypothese zu akzeptieren dass Leute die eine andere Meinung haben als du eine plausible Begruendung dafuer geben koennen (*).

Gegeben diese Hypothese - waere deine Antwort immer noch die gleiche?
Nanu? Eine These dünkt mich am plausibelsten, solange ich keine plausiblere kenne. Sobald ich eine plausiblere These kennen lerne, dünkt mich die alte These nicht mehr am plausibelsten.
Thorsten wrote:Also - die Ringinschrift ist 'ancient mode'. Warum sollte Gandalf (der nun schon recht alt ist) einen Modus der in Gondor erfunden wurde als 'ancient' bezeichnen? Da geht es bei mir mit der Plausibilitaet nicht so weit.
Da kann ich nur zustimmen: Falls jemand behaupten wollte, alle Schreibweisen mit diesen Merkmalen (etwa Calmatéma als tsch-Reihe und VC-Ómatehtar) wären in Gondor erfunden worden, dann würde die Plausibilität dieser Behauptung unter Gandalfs Aussage schwer leiden. Meines Wissens hat das aber gar niemand behauptet.
Thorsten wrote:Der Abschnitt auf der Titelseite wird wegen einer bestimmten Eigenschaft erwaehnt - er ist nicht in einem Modus der 'phonetically adequate devised' ist geschrieben. Statt dessen zeigt er Schwanken zwischen 'traditioneller' und 'phonetischer' Schreibung. Was im Kontext nicht erwaehnt wird ist die Frage nach Tehtar-oder Vollmodus (das ist recht relevant fuer die Interpretation denke ich).
Ganz klar, die vordergründige Mitteilung dieses Abschnitts ist nicht eine Belehrung darüber, welche Schreibweise einem Gondorianer vertraut war. Genau darüber macht dieser Abschnitt aber dennoch eine Aussage. Ich sehe jetzt aber noch nicht, inwiefern es in das Verständnis dieser Aussage einfliessen sollte, wenn ihr nicht als vordergründiger Mitteilung ein eigener Absatz (oder ein eigenes Kapitel oder Buch) zugedacht worden ist? Ich kann doch schlecht behaupten, dass nur übergeordneten Aussagen bedeutsam wären.
Thorsten wrote:Da kann man jetzt fragen - wen sollte Tolkien denn sonst als fiktiven Urheber zitieren?
Tolkien hat sich für eine bestimmte Formulierung entschieden. Der Gegenstand meiner Untersuchung ist diese bestimmte Formulierung, und zwar unabhängig von Tolkiens Wahlfreiheit (an der ich übrigens nicht zweifle, denn nicht nur kann ich mir viele andere potenzielle fiktive Urheber ausdenken, sondern auch, dass gar kein fiktiver Urheber genannt worden wäre).

Tolkien spricht ausdrücklich von Buchstabenverwendungen, die dem Gondorianer aus seiner Schreibweise vertraut seien ("the values of the letters familiar in his ‘mode’", meine Hervorhebung, und dabei kannst du übrigens in einer englischen Grammatik – und für englische gibt es sehr ausführliche, wenn auch natürlich keine vollständigen – nachschlagen, dass hier das Pronomen eindeutig sich auf den Gondorianer bezieht). Das besagt doch, meine ich, eindeutig, dass in Gondor tatsächlich diese Buchstabenverwendungen gebraucht wurden. Und es ist ja nicht so, dass beispielsweise bei der Verwendung der Calmatéma als tsch-Reihe irgendein Zweifel daran bestehen könnte, ob diese Verwendung auf die traditionelle englische Schreibung zurückgeht oder auf dem Gondorianer seine vertraute Schreibung, denn nur diese verwendet sie überhaupt, jene hingegen nicht.
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Thorsten
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Falls jemand behaupten wollte, alle Schreibweisen mit diesen Merkmalen (etwa Calmatéma als tsch-Reihe und VC-Ómatehtar) wären in Gondor erfunden worden, dann würde die Plausibilität dieser Behauptung unter Gandalfs Aussage schwer leiden. Meines Wissens hat das aber gar niemand behauptet.
Einschub um Konfusion zu klaeren:

In LOTR kommt ein tehtar-Modus wenn ich mich nicht irre an drei Stellen vor:

1) im englischen Umschlagtext
2) auf der Ringinschrift
3) in der Beschreibung von Appendix E

In 1) ist die Sprache Englisch, in 2) die schwarze Sprache und in 3) wird (u.a.) beschrieben wie man tehtar fuer Sindarin auf die tengwar setzt.

Fuer mich sind 1), 2) und 3) essentiell der gleiche Modus mit (kleinen) Unterschieden wie z.B. die fuer Englisch typischen Kuerzel ('the') oder die Vertauschung von o und u in der schwarzen Sprache. Wenn der Modus den Gandalf beschreibt denn nun nicht in Gondor (sondern vermutlich von den Elben) erfunden wurde und in ihm auch die Schreibung von Sindarin beschrieben (und das abweichend von der Schreibung von Quenya) wird dann macht das schon sehr wahrscheinlich dass der Modus von Elben um Sindarin zu schreiben erfunden wurde.

Du scheinst irgendwas in dieser Argumentation abzulehnen - was?
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Thorsten wrote:Fuer mich sind 1), 2) und 3) essentiell der gleiche Modus mit (kleinen) Unterschieden wie z.B. die fuer Englisch typischen Kuerzel ('the') oder die Vertauschung von o und u in der schwarzen Sprache.
Ich spreche hier von einem Modus, der zwei essenzielle Merkmale aufweist: Calmatéma als tsch-Reihe und Ómatehtar. Ein solcher Modus liegt vor in 1) und 2). Ein solcher Modus liegt nicht vor in 3), wo zwar eine Sindarinschreibung mit Ómatehtar erwähnt wird, aber wo es von der Verwendung der Calmatéma als tsch-Reihe heisst, sie sei typisch für Sprachen wie Westron, die viele Laute wie die englischen Laute ch j sh aufweisen. Sindarin hat aber keine solchen Laute und die einzige Sindarin-Schreibung, die im selben Kontext steht, nämlich die beleriandische Schreibweise, verwendet die Calmatéma als k-Reihe.
Thorsten wrote:Wenn der Modus den Gandalf beschreibt denn nun nicht in Gondor (sondern vermutlich von den Elben) erfunden wurde
Ebensogut könnte dieser Modus von den Vätern der Menschen oder den Númenorern erfunden worden sein, oder es könnten ihn die Elben extra für die menschlichen Sprachen entworfen haben. Es geht mir ja gar nicht darum, ob ihn die Elben erfunden haben oder die Menschen, sondern darum, ob er fürs Sindarin entworfen wurde oder nicht. Dass er fürs Sindarin entworfen wurde, dünkt mich unwahrscheinlich, denn da würde ich einen adäquaten Modus erwarten. Die Verwendung der Calmatéma als tsch-Reihe ist jedoch adäquat für Sprachen mit tsch-Reihe.

Angesichts der elbischen Sorgfalt dünkt es mich unwahrscheinlich, dass die Elben nicht einen adäquaten Modus verwendeten (so etwas in der Art hast du selber gesagt). Angesichts der bewahrenden Natur der Elben dünkt es mich unwahrscheinlich, dass sie die beleriandische Schreibweise aufgegeben hätten. Also halte ich es für wahrscheinlicher, dass sie eher den beleriandischen Modus verwendeten, und zwar nicht wegen den Tehtar, sondern wegen den Témar. (Es gibt zwar eine andere Quelle, dass aus Sicht der gelehrten Noldor die Ómatehtar fürs Sindarin ungeeignet wären, aber das ist eine andere Quelle.) Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Elben Sindarin mit Ómatehtar geschrieben hätten, nur einen Hinweis darauf, dass es Ómatehtar-Schreibungen in Sindarin gab (obwohl es hier wirklich nur ein Beispiel ist). Möglich, dass die Elben aus Freundlichkeit gegen die Menschen deren Sindarin-Schreibung verwenden würden.
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Also halte ich es für wahrscheinlicher, dass sie eher den beleriandischen Modus verwendeten, und zwar nicht wegen den Tehtar, sondern wegen den Témar.
Kann ich nicht nachvollziehen. Sindarin braucht anscheinend von seiner Lautstruktur nur drei Témar. Im Modus von Beleriand ist die Quessetéma-Reihe weitgehend unbelegt, in tehtar-Schreibungen fuer Sindarin die Calmatéma-Reihe.

Eine Reihe also nicht voll zu belegen wuerde demnach jeden Modus der fuer Sindarin hergenommen wird auszeichnen. Calmatéma als tsch-Reihe kann ohne weiteres in einem existierenden Modus fuer Sindarin spaeter eingefuehrt sein um den Modus fuer menschliche Sprachen zu adaptieren.

Das kann alles so sein wie du sagst, aber es kann auch ganz anders sein - von Plausibilitaet ist das Argument so oder so weit entfernt.
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Thorsten wrote:Sindarin braucht anscheinend von seiner Lautstruktur nur drei Témar.
Sindarin hat labialisierte Velare, aber keine tsch-Laute. App. E: "In languages like the Westron, which made use of consonants [...] such as our ch, j, sh, Series III was usually applied to these".
Thorsten wrote:Calmatéma als tsch-Reihe kann ohne weiteres in einem existierenden Modus fuer Sindarin spaeter eingefuehrt sein um den Modus fuer menschliche Sprachen zu adaptieren.
Aber dann wäre es ja eben gerade nicht mehr dieselbe Schreibweise, sondern eine spezielle Schreibweise für menschliche Sprachen.
Thorsten wrote:Das kann alles so sein wie du sagst, aber es kann auch ganz anders sein - von Plausibilitaet ist das Argument so oder so weit entfernt.
Eine Diskussion über die Ursprünge der Modi ist sowieseo spekulativ. Aus dem Herrn der Ringe kann ich nur Folgendes entnehmen:
  1. Es gibt eine VC-Ómatehtar Schreibweise mit Calmatéma als tsch-Reihe. Letzteres weist hin auf eine Sprache mit tsch-Lauten wie Westron. Wir wissen, dass diese Schreibweise dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise ist. Wir wissen, dass Sauron diese Schreibweise verwendet hat. Wir wissen nicht, ob diese Schreibweise von Elben verwendet worden ist.
  2. Es gibt die beleriandische Schreibweise für Sindarin. Wir wissen, dass diese Schreibweise von Elben verwendet worden ist.
  3. Es ist möglich, Sindarin mit Ómatehtar zu schreiben. Wir wissen nicht, ob eine solche Schreibweise mit dem Mann aus Gondor seiner vertrauten Schreibweise übereinstimmen würde. Wir wissen nicht, wer eine solche Schreibweise verwenden hat.
Die Vermutung, dass dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise ebensosehr den Elben ihre vertraute Sindarin-Schreibweise wäre, dünkt mich unwahrscheinlich; wahrscheinlicher dünkt mich die gegenteilige Vermutung, dass dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise eben gerade nicht den Elben ihre vertraute Sindarin-Schreibweise wäre, – und zwar wegen der tsch-Reihe und der Existenz einer eindeutig elbischen Sindarin-Schreibweise, also wegen Raffinement und Traditionsverbundenheit der Elben.


Und endlich wieder zur Methode: Ein Zugang zu Tolkiens Sprachen, der Vermutungen ausschliesst, führt, denke ich, nicht weit. Vermutungen entstehen beim Lesen natürlich. Schwieriger ist es, sie festzumachen und mitzuteilen. Aber das halte ich für möglich: Vermutungen können begründet sein. Und um eine begründete Vermutung abzulehnen, sollte sie nicht einfach als Vermutung abgetan werden, sondern es sollten ihre Begründungen widerlegt werden.

Auf alle Fälle jedoch sind die Vermutungen zu trennen von den Gewissheiten. Beispielsweise eben die Gewissheit, eine Schreibweise sei gondorianisch, neben der Vermutung, dieselbe könnte auch elbisch sein. Nur wegen dieser Vermutung kann ich doch nicht einfach diese Gewissheit zurücknehmen. Ich muss nur bei der Formulierung dieser Gewissheit aufpassen, dass ich die Vermutung nicht ausschliesse, indem ich etwa sagte, diese Schreibweise wäre ausschliesslich gondorianisch.
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Vielen Dank fuer die Auflistung - darum wollte ich naemlich als naechstes bitten :D

Ich finde da noch:

4. Die Schriften die im 3. Zeitalter benutzt werden sind alle urspruenglich elbisch und sehr alt (ultimately of Eldarin origin and (...) of great antiquity)

5. Modi in denen nur die Konsonanten volle Buchstaben bekommen sind aelter, werden aber noch verwendet. (older modes in which only the consonants were denoted by full letters were still in use)

6. Tengwar wurden von den Noldor nach Mittelerde gebracht und wurden so Edain und Numenorern zugaenglich.

7. Die Ringinschrift ist, so wir Gandalf trauen, sehr alt (of an ancient mode).

8. In Beleriand, vor dem Ende des 1. Zeitalters wurden Cirth neu angeordnet und weiterentwickelt - unter dem Einfluss der Tengwar.

9. Die Elben des Westens gaben den Gebrauch von Cirth auf und verwendeten statt dessen Tengwar

Also, da koennte ich jetzt spontan G. Katzer's Hypothese vom Noldorischen Sindarinmodus anfuehren:

* Tengwar wurden von den Noldor nach Mittelerde gebracht (6)

* Die Sindar in Beleriand haben urspruenglich in Cirth geschrieben (8)

Hypothese: Die Noldor brauchten auch eine Schreibweise fuer Sindarin - Sindarin wurde recht schnell nach ihrer Ankunft zu ihrer Umgangssprache.

* Diese Schreibweise ist urspruenglicher und daher ein tehtar-Mode (4,5) und wurde vom bekannten Sindarin auf Quenya adaptiert.

* Unter dem Einfluss dieser Tengwar fuer Sindarin (die Elben von Mittelerde lernten in aller Regel nicht Quenya!) wurden die Cirth weiterentwickelt (8)

* Diese Weiterentwicklung der Cirth wurde aufgegeben (9) und statt dessen Tengwar adaptiert - es gibt ergo eine natuerliche Erklaerung warum es einen zweiten Sindarinmodus geben sollte der juenger ist - konsistenterweise sollte das ein Vollmodus sein (5)

* Die Numenorer lernten Tengwar von den Noldor (6), wuerden also den tehtar-Modus lernen, nicht den Vollmodus.

* Die Ringinschrift ist tatsaechlich in einem sehr alten tehtar-Modus gehalten (4,7)

* Der Mann von Gondor kennt die ueberlieferte Schreibweise von Numenor die wiederum von den Noldor kommt (1,6)

*shrugs* Fuer mich sieht das recht konsistent aus. Mich wuerde doch interessieren wie du (4)-(9) in deine These einbaust...
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Thorsten wrote:Mich wuerde doch interessieren wie du (4)-(9) in deine These einbaust...
Was gibt es da einzubauen: Die Tengwar sind alt, noldorisch und ursprünglich mit Tehtar. Das ändert nichts an meiner Vermutung, dass dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise keine elbische ursprüngliche Sindarin-Schreibweise sei, gestützt auf die für Sindarin unnötige tsch-Reihe und das Vorhandensein eines adäquateren elbischen Sindarin-Modus.

Dafür weiss ich noch ein paar Sachen, die irgendwie in dein Märchen hineingepackt werden müssten, etwa das Vorhandensein aller Quenya-Laute in den Cirth oder die Verwendung des beleriandischen Modus ausgerechnet in Eregion, der Hochburg der Noldor (denn wenn etwa in Arvernien ein Ausgleich stattgefunden hätte zugunsten des beleriandischen Modus, dann hätten ja wohl auch die Edain diesen übernommen, oder sollten die Edain noldorischer sein als die Noldor?).


Zur Methode: Gewisse Stellen kann ich so lesen, dass sie mehr oder weniger Bedeutung tragen. Um abzuschätzen, welche Lesart besser ist, kann eine Beachtung des unmittelbaren Kontexts nützlich sein. (Mit dem weiteren Kontext müssen selbstverständlich beide Lesarten in Einklang stehen.)

Da ist beispielsweise die Stelle "older modes in which only the consonants were denoted by full letters were still in use". Wenn ich das so deute, dass jede einzelne Ómatehtar-Schreibweisen älter sei als jede einzelne Vollschrift-Schreibweisen, dann messe ich dieser Stelle mehr Bedeutung zu; wenn ich das so deute, dass nicht jede einzelne Ómatehtar-Schreibweisen älter sei als jede einzelne Vollschrift-Schreibweisen, dann messe ich dieser Stelle weniger Bedeutung zu. Nun ist es so, dass diese Stelle in der allerersten Einleitung zu den Schriftsystemen steht und das es im unmittelbaren Kontext nicht weiter um die Vokalisierung geht, und überdies muss im unmittelbar vorangehenden Satz die Stelle "all ultimately of Eldarin origin" so gelesen werden, dass ihr weniger Bedeutung beigemessen wird, denn diese Aussage gilt nicht für jede einzelne Schreibweise. Also spricht bei diesem Beispiel der unmittelbare Kontext eher dafür, dieser Stelle weniger Bedeutung beizumessen.

Ein anderes Beispiel, die Stelle: "In languages like the Westron, which made use of consonants [...] such as our ch, j, sh, Series III was usually applied to these". Wenn ich das so deute, dass eine tsch-Reihe nur in Schreibweisen für Sprachen mit tsch-Lauten verwendet werde, dann messe ich dieser Stelle mehr Bedeutung zu; wenn ich das so deute, dass eine tsch-Reihe nicht nur in Schreibweisen für Sprachen mit tsch-Lauten verwendet werde, dann messe ich dieser Stelle weniger Bedeutung zu. Nun geht es im unmittelbaren Kontext noch weiter um die Belegung der Témar, und im nächsten Satz steht das Beispiel von Quenya als einer Sprache mit Palatalen, Velaren und labialisierten Velaren, und anschliessend werden bei der Nennung der Lautwerte sowohl die für Westron als auch die für Quenya genannt. Also spricht bei diesem Beispiel der unmittelbare Kontext eher dafür, dieser Stelle mehr Bedeutung beizumessen.
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So weit, so gut...

Ich denke ich sehe jetzt klarer. Mir scheint dass die Hauptunterschiede nicht so sehr in der Grundannahme der Methodik sind (also storyinterne vs. storyexterne Betrachtungsweise) sondern in zwei anderen Punkten:

* Menge und Auswahl der Daten - ein Vergleich der relevanten Information die oben angefuehrt ist zeigt dass ich ungefaehr die dreifache Menge an Material fuer potentiell relevant halte als du. Ich denke diesen Punkt muss ich nicht naeher ausfuehren.

* Das Plausibilitaetskriterium - mein Kriterium was plausibel ist und was nicht ist offensichtlich drastisch verschieden von deinem.
Das ändert nichts an meiner Vermutung, dass dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise keine elbische ursprüngliche Sindarin-Schreibweise sei, gestützt auf [a)] die für Sindarin unnötige tsch-Reihe und [b)]das Vorhandensein eines adäquateren elbischen Sindarin-Modus.
a) ist meines Erachtens nur Semantik - wie will ich denn einen (hypothetischen noldorischen Sindarin-)Modus in dem die Calmatéma-Reihe nicht belegt ist und wegen der Lautstruktur von Sindarin nicht verwendet wird von einem (hypothetischen Gonforianischen allgemeinen-)Modus unterscheiden in dem die Calmatéma-Reihe belegt ist aber auch nicht verwendet wird? Fuer mich ist das eine absurde Unterscheidung wenn ich es einem Text prinzipiell eh' nicht ansehen kann. Um so mehr als klar ist dass Tolkiens Darstellung der Tengwar in Appendix E vereinfacht ist und viele Moden zusammenfasst - er beschreibt ja eigentlich nur einen und macht ueber andere nur ein paar Bemerkungen.

b) scheint dir plausibel zu sein, schon in der alten Diskussion war Dass eine Hochprestige-Kultursprache wie das Sindarin mit einer jahrtausendealten schriftlichen Überlieferung in zwei verschiedenen Schreibungen vorkommt (und zwar in derselben Schaffensphase Tolkiens), das ist extrem erklärungsbedürftig. eines deiner Kernargumente. Mir ueberhaupt nicht - Sindarin hat erwiesenermassen eine Schreibweise in Cirth und Tengwar - die Existenz von zwei verschiedene Schreibweisen sind also eh' attestiert. Die Elben sind kein homogener Block sondern recht unterschiedliche Volksgruppen, manche haben Sindarin als Muttersprache, andere als Verkehrssprache. Wenn Elben und Menschen zwei verschiedene Moden haben koennen, warum nicht Noldor und Sindar? Es gibt keinen Grund dass in einer unsterblichen Gesellschaft die Sprach- und Schriftentwicklung wie in der realen Welt verlaeuft - Analogien zum Sanskrit sind also irrefuehrend.

Umgekehrt gehst du im Eiltempo ueber meine Punkte mit Was gibt es da einzubauen: Die Tengwar sind alt, noldorisch und ursprünglich mit Tehtar. hinweg - *wie* sollen die Noldor denn nun frueher Sindarin geschrieben haben, deiner Meinung nach? Im adaequaten Vollmodus?

Das aber nur zur Illustration - wie gesagt, ich sehe den Unterschied jetzt klarer als vorher und er ist nicht da wo ich dachte dass er liegt.
und dabei kannst du übrigens in einer englischen Grammatik – und für englische gibt es sehr ausführliche, wenn auch natürlich keine vollständigen – nachschlagen, dass hier das Pronomen eindeutig sich auf den Gondorianer bezieht
Vielen Dank, mein Englisch ist hervorragend, und den Hinweis auf eine Grammatik finde ich recht unnoetig und der Diskussion nicht angemessen.
die irgendwie in dein Märchen hineingepackt werden müssten
Auch den Begriff 'Maerchen' fuer eine Hypothese in der explizit Verbindungen zu attestierter Information gemacht werden finde ich der Diskussion nicht angemessen. Ich wuerde doch darum bitten eine These ernst zu nehmen solange sie begruendet wird - umgekehrt erwartest du das ja nun von mir auch.

Schade - ich hatte gehofft dass sich eine Diskussion jetzt mal ohne rhetorische Seitenhiebe fuehren laesst. Okay, wie gesagt, ich will es hier inhaltlich nicht klaeren, und ich denke zur Methodik habe ich gelernt was ich lernen wollte. Auf einen erneuten Austausch von gehaessigen Bemerkungen habe ich keine Lust - insofern einfach danke fuer die Diskussion bis hierher! Vielleicht ein andermal zu einem anderen Thema weiter :D
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mach
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Post by mach »

Thorsten wrote:* Menge und Auswahl der Daten - ein Vergleich der relevanten Information die oben angefuehrt ist zeigt dass ich ungefaehr die dreifache Menge an Material fuer potentiell relevant halte als du.
Das ist ein echter Unterschied: Ich glaube wirklich nicht, dass eine Vermutung dadurch etwas gewinnt, dass ich sie grösser mache, nur um mehr Textstellen in sie einbauen zu können. Ich halte eine möglichst vorsichtige Vermutung für den am wenigsten spekulativen Weg. Du stellst meiner Hypothese ein ganzes Hypothesenbündel entgegen (noldorische Sindarin-Schreibung; Erweiterung der Cirth unter Einfluss der noldorischen Sindarin-Schreibung; Entwicklung des beleriandischen Modus auf Grundlage der Cirth; Númenorer lernten noldorische Sindarin-Schreibung und nicht beleriandischen Modus; [implizit: Noldor übernahmen beleriandischen Modus]) und behauptest, dein Bündel wäre mächtiger als meine einzelne Hypothese. Aber wenn ich eine Hypothese mit anderen Hypothesen bündele, dann erhöht doch das ihre Wahrscheinlichkeit nicht! Im Gegenteil ist das Bündel als Ganzes unwahrscheinlicher als die einzelnen Hypothesen.
Thorsten wrote:
Das ändert nichts an meiner Vermutung, dass dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise keine elbische ursprüngliche Sindarin-Schreibweise sei, gestützt auf [a)] die für Sindarin unnötige tsch-Reihe und [b)]das Vorhandensein eines adäquateren elbischen Sindarin-Modus.
a) ist meines Erachtens nur Semantik
Was heisst da nur Semantik? Selbstverständlich ist es Semantik, denn es geht um Bedeutung!
Thorsten wrote: - wie will ich denn einen (hypothetischen noldorischen Sindarin-)Modus in dem die Calmatéma-Reihe nicht belegt ist und wegen der Lautstruktur von Sindarin nicht verwendet wird von einem (hypothetischen Gonforianischen allgemeinen-)Modus unterscheiden in dem die Calmatéma-Reihe belegt ist aber auch nicht verwendet wird? Fuer mich ist das eine absurde Unterscheidung wenn ich es einem Text prinzipiell eh' nicht ansehen kann.
Also in dem Mann aus Gondor seiner vertrauten Schreibweise ist die Calmatéma als tsch-Reihe belegt in den Wörtern march und John. Das sollte in jeder Ausgabe des Herrn der Ringe nachlesbar sein. Wofür die Calmatéma in der erwähnten Ómatehtar-Schreibung für Sindarin verwendet wird (wenn denn Sindarin nicht bloss als Beispiel verstanden wird und es eher darum ginge, wie in einem 'general use' geschrieben würde – denn auch hier ist wieder zu unterscheiden zwischen Lesarten, die viel oder wenig Bedeutung unterstellen!), darüber können wir nur Vermutungen anstellen (wobei dann eben Tolkiens Bemerkung zur Calmatéma eine Rolle spielt und wohl auch die Frage, ob und warum es denn anders wäre als im beleriandischen Modus).

Gewissheit: Gondorianisch mit Calmatéma als tsch-Reihe

Hypothese: Sindarinisch mit Calmatéma als k-Reihe oder als tsch-Reihe?

Und jetzt kann es doch nicht sein, dass ich diese Gewissheit zurücknehmen muss, nur weil du mit der Hypothese argumentierst. Beim Argumentieren muss doch eine Gewissheit schwerer wiegen als eine Hypothese!
*wie* sollen die Noldor denn nun frueher Sindarin geschrieben haben, deiner Meinung nach? Im adaequaten Vollmodus?
Was weiss ich denn? Meine Hypothese wird doch nicht besser, wenn ich sie um eine zusätzliche Hypothese erweitere, wie die Noldor geschrieben hätten! [EDIT: Wenn du schon fragst, so halte ich beleriandischen Sindarin-Modus für die begründetste Vermutung, denn immerhin waren auch die Noldor Beleriander und ist uns dieser beleriandische Modus aus dem noldorischen Eregion bekannt.]

Ich bedaure, dass du in den letzten Posts nur noch auf dieses eine Beispiel eingegangen bist und nicht mehr auf die Methodik. Von Gehässigkeiten weiss ich nichts, und falls irgend etwas in meinen Posts gehässig gewirkt haben sollte, dann entschuldige ich mich sehr: Das wäre nicht meine Absicht gewesen. Ich habe vielleicht den Fehler gemacht, dass ich deine umfassende Hypothese nicht sonderlich ernst genommen hatte, aber ich glaubte in deinem Post Anzeichen dafür zu erkennen, dass sie gar nicht ernst gemeint war (etwa das spontan oder das *shrugs*).
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Thorsten
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Das ist ein echter Unterschied: Ich glaube wirklich nicht, dass eine Vermutung dadurch etwas gewinnt, dass ich sie grösser mache, nur um mehr Textstellen in sie einbauen zu können.
In der Analyse von komplexen und vernetzten Systemen kann ich Reduktionismus wenig abgewinnen: Eine Hypothese die 3 Tatsachen beschreibt ist (auch statistisch) zwei Hypothesen die 9 Tatsachen beschreiben unterlegen.

Um z.B. konform mit Tolkiens Statement ueber das hoehere Alter der tehtar-Moden (Plural, nicht nur der fuer Quenya) zu gehen brauchst du eine neue ad-hoc Annahme. Die Unschaerfe von Isildur's Aussage ist eine ad-hoc Annahme, so ist die Unschaerfe von Gandalf's Aussage - das sind keine Korollare. Am Ende musst du eine konsistente Geschichte praesentieren - die Tatsache dass du Daten nicht in deine Analyse zaehlst laesst sie nicht verschwinden, jede Information die du nicht in deiner Analyse beruecksichtigst korrespondiert zu etwas einer ad-hoc Annahme (eben der dass sie nicht beruecksichtigt werden braucht).
noldorische Sindarin-Schreibung; Erweiterung der Cirth unter Einfluss der noldorischen Sindarin-Schreibung; Entwicklung des beleriandischen Modus auf Grundlage der Cirth; Númenorer lernten noldorische Sindarin-Schreibung und nicht beleriandischen Modus
ist eine Hypothese (die erste Aussage), der Rest sind Korollare aus dieser Hypothese mit attestierten Tatsachen. Folgerungen die aus der Hypothese hervorgehen sind ihrerseits keine neuen Hypothesen.
Aber wenn ich eine Hypothese mit anderen Hypothesen bündele, dann erhöht doch das ihre Wahrscheinlichkeit nicht!
Das ist keine allgemeine Aussage sondern haengt vom Verhaeltnis der Zahl der Hypothesen zur Zahl der beschriebenen Tatsachen ab.

Ausserdem - Korollare werden nicht als Hypothesen gezaehlt: Wenn ich Gleichungen wie

3 + X = Y
4 * X = Z
X + 2 = A

habe dann kann ich eine Hypothese fuer X machen - aber das legt Y, Z und A fest, die kann ich dann nicht nochmal durch eine Hypothese waehlen.
Und jetzt kann es doch nicht sein, dass ich diese Gewissheit zurücknehmen muss, nur weil du mit der Hypothese argumentierst. Beim Argumentieren muss doch eine Gewissheit schwerer wiegen als eine Hypothese!
Thema der Argumente war nicht wie man in Gondor schreibt - Thema war ob es einen tehtar-Modus fuer Sindarin gibt der elbischen Ursprungs ist. Die Tatsache dass der Mann aus Gondor tsch-Laute schreiben kann hat null Information darueber ob die tsch-Laute von Elben oder Menschen eingefuehrt wurden oder wer den Modus entworfen hat. Die Gewissheit ist in einem fuer das Thema irrelevanten Punkt.
aber ich glaubte in deinem Post Anzeichen dafür zu erkennen, dass sie gar nicht ernst gemeint war
Nachdem mein privater Ansatz deutlich mehr storyexterne Analyse ist findet die ganze Diskussion hier unter der hypothetischen Praemisse statt dass ich storyinterne Analyse betreibe, insofern ist keines der Argumente ernst gemeint in dem Sinn dass ich wirklich diese Meinung vertrete, aber sehr wohl in dem Sinn dass ich es unter der Praemisse deinen Argumenten fuer zumindest gleichwertig halte.
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Thorsten wrote:Um z.B. konform mit Tolkiens Statement ueber das hoehere Alter der tehtar-Moden (Plural, nicht nur der fuer Quenya) zu gehen brauchst du eine neue ad-hoc Annahme.
Selbstverständlich, aber eine solche Ad-hoc-Annahme ist in jedem Fall nötig, entweder die Ad-hoc-Annahme, diese Aussage beziehe sich auf jede einzelne Schreibweise, oder die Ad-hoc-Annahme, diese Aussage beziehe sich nicht auf jede einzelne Schreibweise. Jedes Verstehen ist eine Ad-hoc-Annahme. Die Frage ist aber, was spricht für oder gegen welche Annahme, oder, welche Annahme ist die gewagtere, welche die vorsichtigere? Das habe ich schon dargelegt.
noldorische Sindarin-Schreibung; Erweiterung der Cirth unter Einfluss der noldorischen Sindarin-Schreibung; Entwicklung des beleriandischen Modus auf Grundlage der Cirth; Númenorer lernten noldorische Sindarin-Schreibung und nicht beleriandischen Modus
ist eine Hypothese (die erste Aussage), der Rest sind Korollare aus dieser Hypothese mit attestierten Tatsachen. Folgerungen die aus der Hypothese hervorgehen sind ihrerseits keine neuen Hypothesen.
Okay, wenn du meinst, es sei ein Gewinn, Vermutungen in dieser Form zu präsentieren – und davon verstehst du zweifellos mehr als ich –, dann präsentiere ich dir gerne in derselben meine. Entweder: Noldorische phonetische Schreibung (vielleicht für Valarisch, für Avari-Sprachen oder für Sprachen der Edain, aber nicht für Sindarin); noldorische Cirth-Erweiterung; beleriandischer Modus als noldorische Sindarin-Schreibung unter Einfluss der Cirth; Übernahme der noldorischen phonetischen Schreibung durch die Edain. Oder: Númenorische Entwicklung einer adûnaischen Schreibweise unter Einfluss elbischer Schriften; zuvor noldorische Cirth-Erweiterung; zuvor beleriandischer Modus als noldorische Sindarin-Schreibung unter Einfluss der Cirth; zuvor Übernahme der elbischen Schreibweisen durch die Edain; nachher Übernahme der adûnaischen Schreibweise für Sindarin auch durch die Getreuen anstelle der beleriandischen. Ich will mich nicht auf eines dieser Aussagenbündel festlegen; beide stehen in Einklang mit Tolkiens Schriften, aber im Unterschied zu deinem Aussagenbündel tragen sie dem beleriandischen Modus Rechnung sowie Tolkiens Aussage zur Calmatéma.

Wenn sich ein "Korollar" nicht mit dem attestierten Material verträgt, dann hat das wohl doch auch Auswirkungen auf die Hypothese? Und wenn du es zu einem Teil deiner Aussagen machst, dass sie nicht mit Tolkiens Belegen übereinzustimmen brauchen, weil alles in Wirklichkeit viel komplizierter sei, dann erscheinen mir diese Aussagen so ziemlich beliebig. Ich kann doch nicht die Bedeutung einer belegten attestierten nachlesbaren Quellen herunterspielen mit dem Hinweis auf viel zahlreichere hypothetische inexistente Quellen, die meiner Vermutung entsprechen. Ich kann beispielsweise doch nicht sagen, der belegte noldorische Sindarin-Text habe nichts zu bedeuten, denn dieser eine Text stimme nicht überein mit den tausend hypothetischen Sindarin-Texten, die meiner Vermutung entsprechen. Das halte ich für einen schweren methodischen Fehler.
Und jetzt kann es doch nicht sein, dass ich diese Gewissheit zurücknehmen muss, nur weil du mit der Hypothese argumentierst. Beim Argumentieren muss doch eine Gewissheit schwerer wiegen als eine Hypothese!
Thema der Argumente war nicht wie man in Gondor schreibt - Thema war ob es einen tehtar-Modus fuer Sindarin gibt der elbischen Ursprungs ist. Die Tatsache dass der Mann aus Gondor tsch-Laute schreiben kann hat null Information darueber ob die tsch-Laute von Elben oder Menschen eingefuehrt wurden oder wer den Modus entworfen hat. Die Gewissheit ist in einem fuer das Thema irrelevanten Punkt.
Mir scheint jetzt, wir reden vielleicht einfach gar nicht über dasselbe. Mir ging es immer schon um die konkrete belegte Schreibweise mit Ómatehtar und Calmatéma als tsch-Reihe. Von dieser Schreibweise wissen wir, dass sie dem Mann aus Gondor seine vertraute Schreibweise ist und ein hohes Alter hat und eher zu Sprachen mit tsch-Lauten passt. Insbesondere können wir nur Vermutungen darüber anstellen, ob sie von Elben erfunden oder verwendet wurde oder nicht.

Dir hingegen scheint es um eine nicht belegte Schreibweise mit Ómatehtar zu gehen, von der du annehmen willst, sie wäre von den Elben extra als Sindarin-Schreibweise erfunden worden, während dich die Frage der Témar nicht sonderlich interessiert. Eine solche Schreibweise ist mir viel zu hypothetisch und interessiert mich nicht weiter. Die einzige Vermutung, die ich zu den besonderen Merkmalen einer solchen Schreibweise anstellen würde, ist, dass sie wohl eher nicht die Calmatéma als tsch-Reihe verwenden würde (gemäss Tolkiens Aussage zur Calmatéma und gemäss der konkreten belegten Sindarin-Schreibung). Darüber hinausgehende Vermutungen betreffen keine besonderen Merkmale dieser Schreibweise, sondern gelten für alle elbischen Sindarin-Schriften (hohes Alter, Noldor).

Ich verstehe überhaupt nicht, wie du darauf kommst, diese nicht belegte Schreibweise müsste von den Elben extra fürs Sindarin erfunden worden sein, denn die Annahmen, sie wäre nicht von den Elben oder nicht fürs Sindarin erfunden worden, stehen ebenso sehr im Einklang mit Tolkiens Schriften. Falls du nun diese nicht belegte Schreibweise identifizieren willst mit der postumen Quelle DTS 49, dann macht das diese Annahmen auch nicht gerade wahrscheinlicher, denn die Schreibweise von DTS 49 weist keinen Bezug zu Elben auf, sondern zu den Menschen und scheint eher nicht extra fürs Sindarin entworfen zu sein, sondern für eine Sprache mit tsch-Lauten (gemäss Tolkiens Aussage zur Calmatéma). Warum sollte die Schreibweise aus dieser postumen Quelle von Elben erfunden worden sein UND extra für Sindarin? Die einzigen Anhaltspunkte, die zu dieser Sache etwas aussagen (etwa der Anhaltspunkt mit dem hohen Alter sagt hierzu nichts aus, denn schon im ersten Zeitalter wurde Sindarin von Menschen gesprochen), sprechen eher dagegen.

EDIT: Und wenn du eben deine Anhaltspunkte dafür, dass die betr. Schreibweise von Elben extra für Sindarin geschaffen wurde, nur aus einer storyexternen Perspektive gewinnst, dann würde mich das ebensosehr interessieren.
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Thorsten
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Selbstverständlich, aber eine solche Ad-hoc-Annahme ist in jedem Fall nötig, entweder die Ad-hoc-Annahme, diese Aussage beziehe sich auf jede einzelne Schreibweise, oder die Ad-hoc-Annahme, diese Aussage beziehe sich nicht auf jede einzelne Schreibweise.
Da koennte ich jetzt ueber vernuenftige Erwartung, default-Hypothese und so weiter reden - und teilweise habe ich das ja schon in der Einleitung. Ich mag's aber ehrlich gesagt jetzt nicht so breit treten, weil ich sehr implizites Wissen drueber habe und es mir schwerfaellt das klar zu definieren - und die Art wie du ad-hoc Annahme auffasst zeigt mir dass es noetig waere sehr klare Definitionen zu geben, ofefnsichtlich ist es nicht hinreichend intuitiv was ich meine.
Jedes Verstehen ist eine Ad-hoc-Annahme.
Das ist das was ich als ein no-go statement bezeichne - eine Aussage die zwar richtig ist, aber nirgendwo hin fuehrt. Das ist so der Weg ins Allgemeine - sehe ich recht oft wenn ich mit Geisteswissenschaftlern diskutiere, aber fast nie mit Naturwissenschaftlern (Zufall?) - aber in der Praxis gibt es eben eine Hierarchie von Wahrscheinlichkeit basierend auf dem default-Modell nach der sich Annahmen ordnen lassen.

Wenn sich ein "Korollar" nicht mit dem attestierten Material verträgt, dann hat das wohl doch auch Auswirkungen auf die Hypothese?
*seufz* Ja - hat es. Was ich aber nicht sehe ist wo das die Hypothese tangiert. Der Beleriand-Modus ist unter den Tatsachen erwaehnt, der muss nicht in meine Hypothese. Tolkien's Aussage zu den Calmatéma finde ich krass ueberbewertet.

Und das kann ich jetzt auch nicht praezise machen (oder ich mag auch nicht) - nach so und so vielen tausend Seiten von Tolkien und ueber Tolkien glaube ich verstehe ich seinen Stil ganz gut - wenn ihm eine Idee wichtig ist, wenn er ueber irgend etwas lang reflektiert hat, dann entwickeln sich seine Texte so dass er vom hundertsten ins tausendste kommt. Appendix E ist ueber weite Strecken das krasse Gegenteil - sehr vage, nur bei den historischen Tengwar kommt das zum Vorschein. Wenn Tolkien wirklich die Idee gehabt haette dass ein tehtar-Modus juenger (und menschlich) ist - dann stuende das explizit im Appendix drin.

Mein Gefuehl fuer wie Tolkien schreibt rebelliert massiv gegen die Art wie du Theorien an Feinheiten der Formulierung oder Abwesenheit von einer praezisen Ausformulierung im Appendix festmachst. Appendix E ist ueber weite Strecken unscharf und vage.

Ich koennte jetzt auch die Zeitskalen bringen - z.B. die Noldor haben Sindarin als Verkehrssprache viel schneller uebernommen als sie unter dem Einfluss der Cirth einen beleriandischen Modus uebernehmen konnten (den Einfluss beschreibt Tolkien eh' anders herum) - haben sie dann waehrenddessen mal ein paar Jahre nichts geschrieben?
Ich kann doch nicht die Bedeutung einer belegten attestierten nachlesbaren Quellen herunterspielen mit dem Hinweis auf viel zahlreichere hypothetische inexistente Quellen, die meiner Vermutung entsprechen.
Nein, kann ich nicht, und mache ich auch nicht.

*seufz* Sorry, aber die ganze Diskussion scheint mir grade so sinnlos. Wie gesagt, der Punkt fuer mich das hier nochmal aufzunehmen war deine Methodik kennenzulernen.

Nachdem ich mir das ganze im Laufe der Zeit doch von hier und da angeschaut habe bin ich zur Ueberzeugung gekommen dass das Szenario von Tolkien beim Schreiben des Appendix nicht definitiv ausgearbeitet war - er war eben unter Zeitdurck, kurz vorher wurde Noldorin ja auch zu Sindarin und die Restrukturierung musste auch noch irgendwie rein, er hatte die Tehtar-Moden und die Vollmoden (und den fuer Quenya, der aufgrund der Phonologie schon ein bisschen besonders ist) und hat halt alles moegliche ausprobiert - Englisch, die schwarze Sprache, mit einem Vollmodus hat er ja fuer den Koenigsbrief auch Englisch und Sindarin geschrieben.

Aus der Situation ist jede Erkenntnis die wir aus LOTR ziehen wollen fuer mich primaer etwas was wir reinstecken - nicht etwas was wir aus dem Text rausziehen koennen (wie gesagt, ich bin ueberzeugt dass Tolkien es nicht reingeschrieben hatte).

Und da wollte ich wissen von welchen Annahmen dein Ergebnis abhaengt - dadurch dass ich das Problem so umformuliert habe dass hypothetisch Quellen nicht relevant werden.

Aber (und das ist vielleicht auch ein Ergebnis) - zu meiner Ueberraschung habe ich keine Frage gefunden bei der du der Meinung waerst dass deine Loesung nicht stimmen koennte.

Du 'weisst' was die Loesung ist - und das macht die Diskussion fuer mich so frustrierend, weil da kann ich nicht mitgehen. Ich weiss eben nicht... Instinkt sagt mir dass wenn Tolkien wirklich einen menschlichen Erfinder eines Tengwarmodus im Sinn gehabt haette, er das aufgeschrieben haette. Instinkt sagt mir dass die Annahme dass die Elben den Tehtar-Modus fuer alle moeglichen Sprachen, nur nicht fuer Sindarin, verwendet hatten seltsam ist (jaja, ich weiss, die spaeteren Loremasters fanden es unpassend - das war als Tolkien a posteriori angefangen hat das System zu strukturieren - und die Widersprueche in spaeten Quellen werden grade Legende...)

Wie oben schon erwaehnt, ich glaube jede Loesung haben wir in den Text hineingebracht. Du siehst, ich habe auch etwas versucht das ganze zu nehmen und ein 'Maerchen' zu erzaehlen (ich nehme mir jetzt mal den Begriff, weil eigentlich hast du Recht - das ist es was ich da gemacht habe) - und ich finde das passt recht gut, nicht ueberall, ich finde auch deine Geschichten nicht schlecht, die haben auch ihre Schwaechen wo anders, und wenn wir das wirklich modellieren wuerden waere der Unterschied in der Signifikanz wohl marginal.

Wenn dein Ergebnis aber unabhaengig davon ist was ich dich bitte als Voraussetzung anzunehmen - dann ist es nicht mit Methoden erzielt die ich nachvollziehen kann.

Daher also - es tut mir leid, ich merke dir liegt daran zu ueberzeugen - aber mich frustriert es grade einfach nur noch - endgueltig Ende von mir.

Trotzdem nochmal danke fuer den Austausch!

* Thorsten
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