Ein Nandorin-Schnipsel

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Lothenon
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Ein Nandorin-Schnipsel

Post by Lothenon »

Auf Seite 54 von PE17 entdecke ich gerade durch Zufall den vermutlich eindeutigen Beweis, dass Tolkiens späteres Nandorin wohl wirklich nichts mehr gemein hat mit dem der Etymologies. Zwar hatte ich schon bei den wenigen späteren Namen immer das Gefühl, dass es sich hierbei weniger um eine ans Altenglische angelehnte Kunstsprache handelt (wie es mir in Etym noch der Fall scheint), als vielmehr einfach um eindeutige eldarin'sche Formen, die dennoch ebenso eindeutig weder Quenya noch Sindarin sind. Also möglicherweise eher die logischen Ergebnisse einiger weniger phonetischer Regeln als das Suchen einer bestimmten Sprachästhetik.

Und während "Orks" in Etym eben noch (sehr ähnlich der Noldorin-Form) yrc lautet, finden wir in PE17 die für mich ausgesprochen rätselhafte Form ūriʃ als ausgewiesenes Äquivalent zu Sindarin yrch, das ich hier in Kürze versuchen möchte zu analysieren.


Am verblüffendsten für mich ist, dass Tolkien sich tatsächlich dazu entschlossen hat (bzw. an dieser Stelle einmal mit dem Gedanken gespielt hat, man kennt das ja ^^), den Laut ʃ in eine Elbensprache zu integrieren, wo er dies doch im LotR noch nur dem Westron, Khuzdûl und dem Orkischen zuspricht.

Aber auch die Etymologie als solche ist mir recht schleierhaft.
Ich denke, wir können von der Wurzel URUK- ausgehen, ggf. auch OROK-, wenn wir voraussetzen, dass die dem Eldarin offenbar typische geschlossene Aussprache von ō auch hier auftrat und wie im Sindarin zu einem Anheben zu ū führte.
Vermutlich können wir auch hier von Plural ausgehen, aber wie kommt das verbleibende i ins Wortinnere? Vielleicht ein Reduplizieren ähnlich wie im Sindarin mit anschließender Kürzung des (vermutlich unbetonten) Diphthongs mit anderem Ausgang als im Sindarin (vgl. auch Lindai > Lindi in Q&E)? Das würde zumindest auch die fehlende Umlautung des ersten Vokals erklären, wobei wir natürlich im Prinzip garkeinen Grund mehr haben, überhaupt von i-Umlautung im Nandorin auszugehen.
Und was ist letztlich mit diesem für mich bislang völlig unelbischen Konsonanten ʃ? Die einzige Erklärung, die mir momentan einfallen will (wenn wir nicht davon ausgehen wollen, dass noch ein weiteres, uns gänzlich unbekanntes Morphem am Plural beteiligt war), wäre dass auslautendes k (nach vorderen Vokalen) im Nandorin eine ähnliche Entwicklung durchgemacht hat, wie in manchen deutschen Dialekten (dem Hessischen etwa), nämlich k > ç > ʃ.

Mein völlig aus der Luft gegriffener Erklärungsversuch würde also etwa folgendermaßen lauten:
urukī > ūruiki > ūruiç > ūriʃ
Der Singular könnte also parallel z.B. lauten:
uruk- > ūruk > ūruχ


Mir ist klar, dass das alles nicht mehr ist als eine Art Neo-Nandorin-Spielerei, aber mich würden eure Gedanken und Ideen dazu einfach mal interessieren. Immerhin wirft das sämtliche Gedanken reichlich durcheinander, die ich mir in den letzten vier Jahren zum Thema Nandorin gemacht habe :)
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Roman
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Post by Roman »

Zumindest hatte Altenglisch ja den Laut /ʃ/, geschrieben sc, nicht wahr?
Und Nandorin ist nicht die einzige Sprache, die ein /ʃ/ verpasst bekommt. Siehe Adunaic Agathurush (UT:417), in Lowdhams phonologischer Übersicht (SD:418) kommt der Laut nicht vor. Da schon immer die Konzeption bestand, dass die menschlichen Sprachen sich von den Elbensprachen ableiten oder zumindest stark von ihnen beeinflusst worden sind, scheint es mir nur umso konsequent zu sein.

Was "unelbische" Zischlaute angeht, hat mich das hier schon mal überrascht, in frühem Ilkorin (was übrigens rein germanischen Stils ist, siehe Artikel):
míye > migg 'mist, dizzle' (PE13:150) (Akzent steht für die Betonung)
Nun kann man wohl nicht mit Gewissheit sagen, wofür hier gg steht, aber ein tatsächliches Doppel-/gg/ scheint mir angesichts der Etymologie unwahrscheinlich, deswegen wären meine Vermutungen /ž/ oder /ʤ/, vielleicht auch /ŋ/. Vgl. Telerin mire und Noldorin midh, da in allen drei Sprachen eine Änderung stattfindet, könnte das einen gemeinsamen Nenner haben, etwa *miðe, dann T. ð > r (kennt man schon aus Quenya), N. unverändert, Ilk. ð > /ž/ oder /ʤ/ scheint plausibel zu sein.
Vermutlich können wir auch hier von Plural -ī ausgehen, aber wie kommt das verbleibende i ins Wortinnere? Vielleicht ein Reduplizieren ähnlich wie im Sindarin mit anschließender Kürzung des (vermutlich unbetonten) Diphthongs mit anderem Ausgang als im Sindarin (vgl. auch Lindai > Lindi in Q&E)?
Es könnte auch einfach eine direkte Änderung u > i sein - kommt vor, die Laute sind ja ähnlich genug.
Die einzige Erklärung, die mir momentan einfallen will (wenn wir nicht davon ausgehen wollen, dass noch ein weiteres, uns gänzlich unbekanntes Morphem am Plural beteiligt war), wäre dass auslautendes k (nach vorderen Vokalen) im Nandorin eine ähnliche Entwicklung durchgemacht hat, wie in manchen deutschen Dialekten (dem Hessischen etwa), nämlich k > ç > ʃ.
Würd' ich zustimmen, palatales χ > ʃ kommt z.B. auch im Slawischen vor.
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Lothenon
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Post by Lothenon »

Zumindest hatte Altenglisch ja den Laut /ʃ/, geschrieben sc, nicht wahr?
Das sicherlich, ja. Meine Einschätzung bezüglich der Ähnlichkeit zum Altenglischen beruhte jetzt auch weniger auf dem "neuen" Wort, als eher generell auf Wörtern in LotR- und Post-LotR-Nandorin. Sie wirken einfach auf eine "herkömmlichere" Art und Weise elbisch, ohne so charakteristische Elemente wie altenglisch anmutende Diphthonge oder silbische Nasale etc.

Naja, aber darum geht es mir auch weniger, ich halte es schon für recht klar, dass Etym-Nandorin nicht das gleiche ist wie Post-LotR-Nandorin (vgl. eben yrc >> ūriʃ) . Es geht mir eher um eine etymologische Erklärung und ein mögliches (völlig fiktives) Integrieren in das ältere Szenario zwecks primär Etym-basiertem aber auch die neueren Formen erklärenden Neo-Nandorin.

Deine Überlegung/Beobachtung bezüglich Ilkorin finde ich faszinierend, besonders /ž/ erscheint mir nicht unwahrscheinlich.
Das Konzept mag also garnicht so brandneu sein, interessant...
Es könnte auch einfach eine direkte Änderung u > i sein - kommt vor, die Laute sind ja ähnlich genug.
Ohne Umweg über i-Umlaut? Das wäre eine Verschiebung von ganz hinten nach ganz vorn mit gleichzeitigem Verlust der Rundung... erscheint mir ein wenig viel ohne Zwischenschritte.
Würd' ich zustimmen, palatales χ > ʃ kommt z.B. auch im Slawischen vor.
Ah, umso besser. Hast du da ein paar Details? Nur so am Rande.
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Roman
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Post by Roman »

Ohne Umweg über i-Umlaut? Das wäre eine Verschiebung von ganz hinten nach ganz vorn mit gleichzeitigem Verlust der Rundung... erscheint mir ein wenig viel ohne Zwischenschritte.
Morris-Jones (S.88) gibt z.B. z.B. Lat. cupidus > W. cybydd an. Im Walisischen wird ja auch u als /i/ gesprochen - ich vermute mal, ursprünglich ist es derselbe Lautwechsel.
In Frühem Noldorin findet man ganz klar ū > í (siehe wieder hier):
*tūr- > tír 'king' (PE13:154), Q. túr
kyúr- > cír 'sour, curdled' (PE13:140)
Ah, umso besser. Hast du da ein paar Details? Nur so am Rande.
Ja, also dass sich Velare wie k, g vor vorderen Vokalen wie e, i verschieben, ist aus den Romanischen Sprachen ja gut bekannt, im Spanischen k > þ, im Französischen k > s, im Italienischen k > č, im mittelalterlichen Latein k > ts (Affrikate).
Im Slawischen hat man k, g, χ > č, ž, ʃ, z.B. Altkirchenslawisch uχo "Ohr", Dual uʃi, um mal ein ähnliches Beispiel zu nennen. Dann gab's noch eine spätere Verschiebung k, g, χ > ts, z, s, sodass die jeweils drei Laute für's gewöhnliche alternieren (mit Analogie und anderen Vokalverschiebungen nicht immer so einfach nachvollziebar).

In Adunaic gab's ja eine palatale Serie k', g', kh' (letzteres aspiriert, Tolkien schreibt C, J, Ch), die sich entwickelte zu s, z, s. Vielleicht müssen wir angesichts von Agathurush und ūriʃ nun kh' > *sh annehmen? Nur so eine Idee, hoffentlich gibt es dazu noch mehr Material.
Dírion-Gondir
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Post by Dírion-Gondir »

Falls ich mal ne Zwischenfrage stellen dürfte: Gibt es für Nandorin und Noldorin auch wie für das Sindarin oder Quenya so etwas wie umfassende Wortlisten oder sind diese beiden nur noch Bruchstückhafter erhalten?
Elwing
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Post by Elwing »

@Dírion-Gondir

In der HoME sind einige Wörter in den Etymologien zu finden. Ein paar Hinweise gibt es auch in den Unfinished Tales.
Ansonsten gibt es in Tolkiens Werk kaum Hinweise auf die genauere Struktur und den Wortschatz der Sprachen.
Anhand typischer Lautverschiebungen kann man unter Umständen noch ein paar Wörter spekulativ herleiten, aber na ja...

Jedenfalls sind nur relativ wenige Wörter tatsächlich bekannt (im Vergleich zu Sindarin oder Quenya) und es gibt kaum Beispiele, in denen die Sprachen in irgendwelchen Texten tatsächlich vorkommen.

Wenn irgendjemand noch andere geheime Quellen hat und mehr dazu weiß, bitte sagen. Das interessiert mich auch!!!!!!!!!!!!!!!! ;-)
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Roman
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Post by Roman »

Falls ich mal ne Zwischenfrage stellen dürfte: Gibt es für Nandorin und Noldorin auch wie für das Sindarin oder Quenya so etwas wie umfassende Wortlisten oder sind diese beiden nur noch Bruchstückhafter erhalten?
Für Nandorin siehe hier.

Noldorin ist die Vorstufe von Sindarin. Frühes Noldorin aus den 20ern in der Parma Eldalamberon 13 veröffentlicht - da gibt's auch Wortlisten, im Internet gibt es sie nicht. Spätes Noldorin der 30er und 40er ist im wesentlichen aus den Etymologies (HoME: Lost Road) bekannt. Dieses Vokabular wird in Neo-Sindarin adaptiert - ca. 2000 der 3700 Einträge in den sindarin.de-Wortlisten sind aus den Etymologies (wobei manche Wörter natürlich sowohl dort, als auch in späteren Sindarin-Quellen auftauchen).
Dírion-Gondir
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Post by Dírion-Gondir »

Naja, bei Nandorin is des ja ned wirklich viel...

Aber egal, ich konzentrier mich eh eher auf Sindarin, also von da her.
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