Sindarin-Lexikon

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Rezension zu "Das Große Elbisch-Buch" von Helmut W. Pesch (1. Auflage)

Der Aufbau des "Großen Elbisch-Buches" ist im Prinzip identisch zu dem blauen "Elbisch"-Buch: Man hat eine Einführung in dei Grammatik des Sindarin und Quenya, in die Schriften sowie eine beiliegende Wortliste. Jedoch ist das neue Buch laut Angaben auf dem Cover nun auf dem neusten Stand und berücksichtigt auch die letzten Publikationen von Tolkiens Material einschließlich neuer Wörter und Grammatik.

Rezensionen zu den älteren Büchern findet man hier.

Der Autor schreibt im Vorwort, seine ersten beiden Bücher seien unter Zeitmangel und unter dem Druck ungünstiger anderer Umstände entstanden (S.9) und dass das Große Elbisch-Buch somit das Buch sei, was er immer schreiben wollte (ebd.). Somit lohnt es sich, das neue Buch speziell in der Hinsicht zu bewerten, was neu hinzugefügt und überarbeitet wurde.

Da stellt man aber schnell fest, dass viele Passagen aus dem blauen "Elbisch"-Buch offenbar per "copy & paste" übernommen wurden, einschließlich der Fehler, so z.B. **chín als Lenition von *cín (S.171), was in der 1. Auflage des blauen Buchs vorkam, obwohl die 5. Auflage, mit der ich vergleiche, schon das korrekte *gín (S.157) hatte. Viele der inzwischen veröffentlichten relevanten neuen Informationen wurden überhaupt nicht oder mit Fehlern eingebaut, z.B. kennen wir jetzt in Sindarin gleich vier Varianten für die Zahl "zwölf": ýneg (VT47:41), yneb, inib (VT48:8) und imp (PE17:95), Pesch gibt jedoch immer noch das rekonstruierte *uiug (S.167) an, obwohl die attestierten Formen in den Wortlisten auftauchen (S.855). Die neuen Informationen zu den Zahlen zwischen 13 und 19 (VT48:21) werden völlig ignoriert, es steht immer noch da, dass über die Bildung höherer Zahlen nichts bekannt sei (S.93).

Inklusives und exklusives "wir" wird durcheinander gebracht, so ist z.B. me (bzw. die abgeleiteten Endungen) exklusiv im Quenya-Teil (SS.100,105) (korrekt), aber inklusiv im Sindarin-Teil (SS.174,177) (falsch). Wenn man nur den Sindarin-Teil aufschlägt, wird man auch keine Erklärung zum Unterschied exklusiv/inklusiv finden.

Bei der Benutzung von Sternchen "*" zur Kennzeichnung rekonstruierter Wörter scheint an vielen Stellen keine Konsistenz zu herrschen. So wird z.B. die Pronomentabelle auf S.96-97 gänzlich mit Sternen versehen, obwohl sie sich bei Tolkien in genau derselben Form findet, auf der anderen Seite bekommen z.B. die wirklich rekonstruierten Vergangenheitsformen auf den S.186-187 keinen Stern. In den Wortlisten scheinen prinzipiell keine Sterne verwendet zu werden, trotz der z.B. vielfach auftauchenden rekonstruierten Sindarin-Plurale.

Noch einige Dinge im Speziellen:

Quenya-Grammatik:

Auf S.76 wird angegeben, dass langes é und ó geschlossener auszusprechen ist (korrekt), auf S.77 wird prompt das Gegenteil behauptet. Ein Neuling hat keine Möglichkeit, herauszufinden, was davon richtig ist.

Auf S.83 findet sich eine äußerst kuriose Begründung, die Kasusendung -s als Komitativ zu deuten. So ein Kasus komme (mit anderer Endung!) in frühem Qenya vor (angegeben PE14:113-114, lies: PE16:113-144). Dass aber -s in der viel relevanteren Spätzeit direkt als kurzer Lokativ in sisse, sís "hier" und tasse, tás "dort" attestiert ist, wird nicht erwähnt, obwohl die Wörter auch auf S.96 vorkommen. Die Übersetzung in den Tabellen ist stets als Komitativ (z.B. S.82).

Nach dem Herrn der Ringe bestand bei Tolkien die Konzeption, dass Quenya bei den Pronomen in der 3. Peson zwischen Belebten (also Menschen, Elben, Tiere..) se, Pl. te; und Unbelebten sa, Pl. ta unterscheidet (VT43:20). Pesch gibt das als "persönlich", bzw. "unpersönlich" an (S.98), was sich bei Tolkien zwar ebenso findet ("personal/impersonal" neben "personal/neutral" und "animate/inanimate"), aber das ist didaktisch höchst unweise, denn es gibt noch ein ganz anderes "persönlich/unpersönlich" bei den Verben, was mit der expliziten Erwähnung des Subjekts zusammenhängt (z.B. VT49:9)! Das wird im Buch aber einfach gleichgesetzt (z.B. S.100, die verworrene Erklärung auf S.107 oder in den Verbtabellen) und zudem für beide zunächst versehentlich se, Pl. te angegeben (S.98).

Die lange Verbendung in der 3. Person wird als *-rye angegeben (aber ohne Kennzeichnung einer Rekonstruktion, obwohl es diese im blauen Buch gab). Bei Tolkien finden wir alles, nur nicht diese Form, z.B. -ste, -ssa (PE17:57), -sse (PE17:132), -se (VT49:51), an anderen Stellen fehlt auch einfach eine lange Form (z.B. VT49:16).

Bei der Negation von Verben wird um- aus den Etymologies beibehalten (S.123). Keine Erwähnung findet dabei die Tatsache, dass Tolkien in der Spätzeit nicht nur dieses Verb zu ua- änderte, sondern auch ein ganz anderes System im Sinn hatte, bei dem ua- die Personenendungen, das negierte Verb aber die Tempus-Endungen bekommt, z.B. uan carne "ich tat nicht" (PE17:144).

Die nach dem Herrn der Ringe häufig auftretende starke Vergangenheit abgeleiteter Verben wird extrem knapp erwähnt (weniger als die Hälfte von S.114 bei ca. 900 Seiten Gesamtgröße) und ob ein Neuling nachvollziehen kann, wie ceante aus caita- hervorgeht und warum tenta- zu tenante, aber ulya- zu ulle wird, wage ich zu bezweifeln.

Sindarin-Grammatik:

Dass die stimmlosen Laute lh, rh und hw im 3. Zeitalter stimmhaft ausgesprochen werden, wie auf S.141 für Sindarin behauptet, stimmt laut Herr-der-Ringe-Anhang aber freilich nur für Quenya.

Auf S.149 wird behauptet, dass sich langes nn und ff in klassischem Sindarin zu /n/, bzw. zu /f/ verkürzt. Die Quelle für diese Behauptung ist mir schleierhaft. Im Herr-der-Ringe-Anhang wird explizit gesagt, dass ph in Wortmitte für ein langes /ff/ steht ohne die Erwähnung einer Verkürzung. Im Königsbrief (SD:130-131) finden wir nn als Doppel-n in Tengwar ausgeschrieben. Peschs eigene Lautumschriften geben auch immer einen doppelten Konsonanten an, z.B. ephel /'ef-fel/ (S.492).

Auf S.170 leitet Pesch aus der emphatischen Form ech die Endung -ch als 2. Sg. ab (was methodologisch schon zweifelhaft ist), auf S.174 ist -ch aber die 2. Dual informell.

Früher war nicht bekannt, ob in fen hollen "geschlossene Tür" die lenierte Form des Partizips ?sollen vorkommt, oder aber die unlenierte ?hollen. Mittlerweile wissen wir, dass die korrekte Form hollen lautet (PE17:98, RC:550). Pesch bleibt immer noch bei **sollen (S.184).

Das Verb gala- hat auf S.179 die Vergangenheit *galant, auf S.186 wird es unter die gemischte Konjugation gezählt mit der Vergangenheit *gall (so wie auf der Webseite Ardalambion, was offenbar eine deutliche "Inspirationsquelle" für den Autor darstellt). Verben können in Sindarin und Quenya natürlich auch mehrere Vergangenheitsformen besitzen, aber eine wirkliche Erklärung hierzu steht nicht dabei. Man hat hier das Gefühl, dass Tolkiens Tabelle mit dem Beispiel gala- (PE17:132) eingearbeitet wurde, ohne auf Konsistenz mit dem Rest zu achten. Die von Tolkien eigenhändig angegebene Vergangenheitsform aul (PE17:131) wird ignoriert, genauso wie das ganze System aus der Zeit nach dem Herrn der Ringe, wo das Präteritum mit vorgestelltem Augment und einigen komplexen Lautverschiebungen gebildet wird (hier agāle > aul). Eine Erklärung von agor, was genau auf dieselbe Art und Weise gebildet wurde, sucht man vergebens. Ebenso findet die recht häufg attestierte Vergangenheit intransitiver Verben auf -s oder -st keinerlei Erwähnung, in der Wortliste auf S.545 findet man immer noch die falsche Interpretation von Ardalambion, dass mudas ein Substantiv "Arbeit, Mühe" sei; nicht eine Vergangenheitsform des Verbs mudo "arbeiten, sich bemühen" (wie Tolkien es angibt).

Schriften:

Dieser Teil wurde nur leicht überarbeitet, aber hier wurde inzwischen ja nicht viel Neues veröffentlicht. Es bleibt ein sehr gute Übersicht und Zusammenfassung und wahrscheinlich der beste Teil des Buches.

Wortlisten:

Diese wurden sehr stark aufgepeppt, von ca. 250 Seiten auf ca. 600 in größerem Format, nun mit einer Deutsch-Elbisch-Liste, und sind damit extrem umfassend. Allerdings entstammen die Wörter oft verschiedenen Konzeptionen, so z.B. Sindarin anna- "geben" (S.453) und fanha- "verschleiern" (S.497). Da das Buch keinen akademischen Zwecken dient, wäre hier eine Regularisierung von Vorteil, in diesem Fall also entweder anna-, fanna- oder anha-, fanha-. Kennzeichnungen der Aussprache und der Quellen sind hier große Pluspunkte, das bereits erwähnte fehlende Kennzeichnen rekonstruierter Formen dagegen ein Minuspunkt.

Fazit:

Insgesamt muss man sagen, dass das Große Elbisch-Buch sicherlich eines der besseren von den insgesamt veröffentlichten Elbisch-Büchern ist, mit Liebe für das Thema geschrieben wurde und tief in die Materie dringt, aber durch das Zusammenspiel vieler versehentlicher und konzeptioneller Fehler und Inkosistenzen werden Neulinge mit Sicherheit an vielen Stellen auf der Strecke bleiben. Hier sind noch umfassende Korrekturen nötig.

Roman Rausch
16.6.2009

 

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